Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Borussia zwischen Baum und Borke
Nach dem 0:0 in Frankfurt hängt Mönchengladbach zwischen Abstiegszone und oberem Tabellendrittel fest.
FRANKFURT/MAIN Es gab nur eine zentrale Frage zu beantworten nach dem 0:0 zwischen Eintracht Frankfurt und Borussia Mönchengladbach: War der Punktgewinn der Gäste unverdient, äußerst unverdient oder unfassbar unverdient? Beide Trainer beteiligten sich ihrem Naturell entsprechend an der Debatte. „Wir waren 90 Minuten die schlechtere Mannschaft, ganz einfach“, sagte Gladbachs Dieter Hecking gewohnt pragmatisch und ehrlich. „Ich könnte heulen“, kommentierte Frankfurts Niko Kovac, dem beileibe nicht nachgesagt werden kann, er sei ein weinerlicher Typ. Doch wenn gerade der heißblütige Kovac zumindest rhetorisch den Tränen nahe ist, gibt es wenig Spielraum für Diskussionen.
Wie glücklich sich die Gladbacher schätzen konnten, einen Punkt aus Frankfurt mitgenommen zu haben, untermauerte die Statistik. Das „Expected Goals“-Modell ist ein noch relativ neuer Zugang für DatenFreaks, der englische „Guardian“hat es jüngst mit einem ausführlichen Artikel bedacht. Bei den „Expected Goals“, also den zu erwartenden Toren, geht es darum, jeden einzelnen Torschuss zu bewerten: Wie viele Versuche aus dieser Position, mit dieser Vorbereitung, mit diesem Fuß gehen rein? Ein Elfmeter bekommt in etwa einen Wert von 0,7, weil ungefähr 70 Prozent aller Versuche den Weg ins Tor finden. Am Ende des Spiels spuckt das Modell zwei Zahlen aus, die das Chancenverhältnis beschreiben. Frankfurt gewann virtuell 2,36 zu 0,22.
Von allen Partien mit solch einer Verteilung der Torgefahr geht die überlegene Mannschaft in 92 Prozent aller Fälle als Sieger vom Platz. Es war für die Frankfurter tatsächlich „zum Heulen“. Für die engste Bundesliga seit mindestens zwei Jahrzehnten war das Spiel symptomatisch. 90 Minuten lang bekämpften sich zwei Mannschaften wenig ansehnlich, das Ergebnis erschien willkürlich und nachher wollte niemand irgendetwas überbewerten. Auch die Borussen bewegten sich mit ihrer Einordnung der neuen Lage – vier Punkte Rückstand auf den Sechsten, vier Vorsprung auf den 16. – in einer Grauzone. „Nach oben ist die Chance größer geworden, nach unten die Gefahr“, sagte Hecking. Das wollte er aber nur als Beschreibung des Status quo ver- standen wissen. Schon übermorgen nach dem Heimspiel gegen Hertha BSC sehe es schon wieder anders aus. Oder eben nicht.
Mit ein paar Aussagen bewegten sich die Gladbacher allerdings aus der Stimmungs-Grauzone heraus. „Es war vor allem in der ersten Halbzeit ein sehr lethargischer Auftritt von uns“, erklärte Hecking. Er nehme das zum Teil auf seine Kappe, weil er zu viele Spieler aufgeboten habe, die „nicht im Rhythmus“gewesen seien. Kapitän Lars Stindl spielte erstmals seit 23 Tagen von Beginn an, Thorgan Hazard erstmals seit 37 und Raffael schien in Gedanken häufiger bei seiner hochschwangeren Frau zu sein. Richtig im Rhythmus war nur Torwart Sommer, der im 16. Anlauf erstmals einen Elfmeter in der Bundesliga abwehrte und seine überragende Form mit weiteren Paraden bestätigte.
So schlecht der Auftritt bei der chronisch torlosen Eintracht auch war, so wenig wollten die Borussen daraus einen Negativtrend ableiten. „Wir müssen einfach auf uns schau- en und unsere Qualität auf den Platz bringen“, sagte Stindl. Und so sprach ausgerechnet der Trainer der deutlich überlegenen Mannschaft, die trotz sieben siegloser Spiele noch immer Siebter in der Bundesliga-Tabelle ist, mahnende Worte aus. „Der VfB Stuttgart hat letzte Saison gedacht, er könne noch angreifen und ist dann abgestiegen“, sagte Kovac.
Die endgültigen Antworten auf die Frage nach Europapokal und Relegation werden noch lange auf sich warten lassen.