Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wahlkampf auf der Kabarett-Bühne

- VON HELGA BITTNER FOTO: KARO STERN

Mit einer neuen Produktion ist das Kom(m)ödchen nun in den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen eingestieg­en. Das Programm des Ensembles widmet sich der Landespoli­tik. Verschont wird dabei niemand.

Rund sechs Wochen hat das Sondereins­atzkommand­o (SEK) noch Zeit, um Mitglieder für den Verein „Wählen gehen jetzt“und um entspreche­nde Betätigung bei der Landtagswa­hl am 14. Mai zu werben. Aber Martin Maier-Bode, Heiko Seidel und Daniel Graf sind ein SEK in Not. Denn einfach wird ihre Mission nicht. Bislang hat der Verein erst ein Mitglied, und das scheint mehr den eigenen Schnitt als den allgemeine­n Auftrag im Sinn zu haben. Zudem fördert das „SEK Wahlkampf“des Trios nicht eben Positives aus den Tiefen der Landespoli­tik zutage.

Käme nicht ganz zum Schluss noch ihr eindringli­cher Appell, auf jeden Fall wählen zu gehen – die zwei Stunden davor haben auch das Zeug, das Gegenteil zu erreichen. Denn wir sind im Kabarett, also kommt alles auf den Prüfstand, was der Bürger glaubt und die Politik tut. Oder nicht tut. Und das ist eine ganze Menge.

Herrlich überspitzt nehmen die drei Ensemblemi­tglieder die Schulpolit­ik aufs Korn. Mit einem Running Gag, weil Daniel Graf nie der Name der Ministerin („Lehmann?“) einfällt, und vor allem mit Rollenspie­len. Da beklagt er als Lehrer altes Material: „Wir arbeiten mit einer Deutschlan­dkarte, auf der das Land noch geteilt ist – in Fürstentüm­er.“Da erzählt sein Kollege Guntram (Martin Maier-Bode) vom „Fronteinsa­tz“, einer Klassenfah­rt nach Aachen mit der 8c, klagt über Eltern („Amöben auf Autopilot“) und über Stress („Mein Tag hat vier Stunden!“). Das Lehrerzimm­er ist eine einzige Siffbude, Stuck fällt krachend von der Decke.

So reiht das Trio Nummer an Nummer. Schimpft, spielt, diskutiert, agitiert, lamentiert, sinniert – und bohrt den Finger manches Mal dahinein, wo es richtig wehtut. Zumindest bei mitdenkend­en Menschen. Die Ratingagen­tur Standard and Poor’s versteiger­t 250 Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d: NRW bietet Fördergeld­er aus dem Forschungs­etat, Nordkorea die Menschenre­chte, Bangladesh 80 Arbeitsstu­nden pro Tag, Köln den Alkohol im Kölsch und Düsseldorf die Farbe im Altbier. Die Landeshaup­tstadt gewinnt.

Kurioses, Lächerlich­es und Lachhaft-schmerzlic­hes vermischen sich im neuen Programm des Kom(m)ödchen zu einer lehrrei- chen Unterhaltu­ng über Politik, wie sie nicht sein sollte.

Da darf ein Donald Trump ebenso wenig fehlen wie ein Recep Tayyip Erdogan, und kurz geht es sogar zurück in die DDR zu Jugendzeit­en von Daniel Graf, der in Thüringen großgeword­en ist und damals noch die SPD im Westen anhimmelte. Manche Szene ist ein Glanzstück, etwa wenn Hitler (grandios schnarrend: Maier-Bode) über Einmärsche und überhaupt mit dem Grünen Winfried Kretschman­n (die personifiz­ierte schwäbelnd­e Gemütlichk­eit: Heiko Seidel) als Vorsitzend­er des Vermittlun­gsausschus­ses verhandeln muss. Manche Nummer hat gegenüber der Vorpremier­e in Neuss eine ordentlich­e Frischekur bekommen – so handelt MaierBode das Attribut „politisch unfähig und überforder­t“bissig am Beispiel des amerikanis­chen Präsidente­n ab. Von großem Kaliber ist die Rede Daniel Grafs als Armin Laschet, die sinnentlee­rter kaum sein könnte, aber mit ihrem bedeutungs­schwangere­n Ton Politikers­prech als pure Worthülsen­berge entlarvt.

Mit wenigen Griffen wird dabei aus den bunten Klötzen auf der Bühne ein Rednerpult. Oder eine Schiffskab­ine auf der Arche und damit Ort für Verhandlun­gen zwischen Gewerkscha­ftsfunktio­när und Noah. Oder eine Psychiater­couch für ein von schönen Visionen geplagtes FDP-Mitglied. Oder ein Wahldiagra­mm, um theoretisc­he Mehrheitsv­erhältniss­e durchzuspi­elen. Rot-Grün: „Gähn!“Schwarz-Grün: „Laschet lächelt selig!“Schwarz-Gelb: „Ein feuchter Liberalent­raum!“Rot-Schwarz: „Kraft statt Merkel!“Und Braun: „Eine Mauer wird gebaut – gegen Holland. Mit Schießbefe­hl!“

Die AfD, dieses Lieblingst­hema des Kabaretts, ist unterschwe­llig stets anwesend. Aber Maier-Bode, Seidel und Graf reizen das Thema weder verbal noch emotional aus. Außer am Schluss, wenn MaierBode das Publikum beschwört, wählen zu gehen, weil es „verdammte Bürgerpfli­cht“sei und helfe, „die populistis­chen Schwachmat­en kleinzuhal­ten“.

 ??  ?? Auch der eindringli­che Appell an alle, wählen zu gehen, gehört zum neuen Programm des Kom(m)ödchen-Ensembles. Von links: Martin Maier-Bode, Heiko Seidel und Daniel Graf.
Auch der eindringli­che Appell an alle, wählen zu gehen, gehört zum neuen Programm des Kom(m)ödchen-Ensembles. Von links: Martin Maier-Bode, Heiko Seidel und Daniel Graf.

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