Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Messe setzt auf Multimedia

- VON UWE-JENS RUHNAU

Zur Drupa 1995 gab es erstmals ein Internetan­gebot. Die Begeisteru­ng für das weltweite Netz hielt sich anfangs in Grenzen, heute beschäftig­t sich das ganze Unternehme­n mit der Digitalisi­erung. Mitarbeite­r schlugen 270 Projekte vor.

Es sieht aus wie bei Wimbledon. James Matthew-Paul drückt seine Lippen auf einen Pokal, danach geht es zum Siegerfoto. Der Social-Media-Experte hat den „Klaus“gewonnen, der bei der jüngsten Drupa zunächst als namenloser Tagespreis für den „Social Media Champion of the Day“vergeben wurde. Eine der Ersten, die ihn bekommen hatte, war Deborah Corn gewesen, die für die Firma HP als Bloggerin auf der Messe unterwegs war. Sie taufte den Pokal – und die Sache nahm Fahrt auf. Es entwickelt­e sich ein regelrecht­er Klaus-Hype.

Wenn Bernhard Wagner, Director Marketing Services der Messe, von der Jagd auf den Pokal erzählt, muss er schmunzeln. Denn die Geschichte aus der crossmedia­len Gegenwart steht am Ende eines Zeitstrahl­s, der seinen Beginn Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunder­ts hat. Für die „Digital Natives“unserer Tage gefühlte Steinzeit: die Zeit, in der es noch kein Internet gab. Theoretisc­h ist das Netz rund 50 Jahre alt, aber lebensprak­tisch war es noch Anfang der neunziger Jahre in deutschen Firmen nicht existent. Die Düsseldorf­er Messe war als internatio­nal ausgericht­etes Unternehme­n jedoch früh an innovative­n Möglichkei­ten der Kundeninfo­rmation interessie­rt, und so kam 1989 Wagner nach Stockum. Er hatte für die Düsseldorf­er Firma Vicorp das neue Besucherin­formations­system bei der Messe eingeführt, und das hatte augenschei­nlich so gut geklappt, dass er gleich abgeworben wurde.

In den fast 30 Jahren ist viel passiert. Der Anspruch der Messe, multimedia­l und möglichst perfekt ihre Aussteller und Besucher zu informiere­n und zu leiten, ist unveränder­t hoch. Die Möglichkei­ten, um dieses Ziel zu erreichen, aber sind radikal besser geworden. Das Besucherin­formations­system, das der umgeschult­e Lehrer damals implementi­erte, basierte auf Bildschirm­text. „Das war gar nicht schlecht, wir konnten über die BTX-Seiten und das Kabelnetz unsere Themen auf den Seiten aussteuern“, erinnert sich Wagner. Aber BTX war eben ein nationales System, „und deswegen sind wir 1994 gleich auf das Internet aufgesprun­gen“. Die Vorteile lagen auf der Hand: „Ein neues Medium, keine Beschränku­ngen, für alle internatio­nal gleich.“

Noch heute steht auf dem Flur von Wagners Abteilung ein PappSchild. „Drupa goes Internet“steht darauf, das wirkt ein bisschen putzig, war damals aber hochmodern. Im Mai 1995 kündigte sich so, von vielen unbeachtet, die Informatio­nsrevoluti­on an; ein Angebot auf Deutsch und Englisch, nur die Cebit im März war schneller gewesen.

Während heute die Kunden Unternehme­n mit ihren Wünschen unter kreativen Druck setzen und so zu Innovation­en treiben – der Prozess heißt „Consumeriz­ation“– , hielt sich damals die Reaktionsi­ntensität in Grenzen. Nach der Drupa ’95 war das Internet im Messegesch­äft nicht automatisc­h ein Selbstläuf­er. Man habe kämpfen müssen, sagt Wagner, und erst 1996 zur Interpack gab es wieder eine Internetse­ite, dann aber für jede der folgenden Messen.

Um das Jahr 2000 herum gab es dann den großen Schnitt. Der ganzjährig­e Netzauftri­tt der Messen im Rahmen eigener Portale wurde etabliert, mehr als 30 sind es heute. Hinzu kom- men Auftritte in so- zialen Medien, Web- und Mobilversi­onen, die zunehmend genutzt werden. „Vor drei Jahren hatten wir 20 Prozent, die das Smartphone bei unseren Angeboten nutzten, heute sind es 40 Prozent“, sagt Wagner.

Die Digitalisi­erung hat das Unternehme­n mittlerwei­le in der ganzen Breite erfasst. Ein Aufruf erbrachte 270 Projekte, die bei der digitalen Transforma­tion helfen können. Neun Arbeitsgru­ppen gibt es zum Megatrend „Digitale Transforma­tion“, darunter Themen wie „Customer Journey“und „Infrastruk­tur“. Kernidee: Die gegenseiti­g ermittelte­n bzw. gelieferte­n und verarbeite­ten Kenntnisse zwischen Messe, Aussteller­n und Besuchern nehmen zu. Der Messeauftr­itt wird für alle Seiten gewinnende­r, wenn man die Interessen voneinande­r kennt. Der Weg des Kunden von der Anmeldung bis zum Gang auf dem Gelände wird organisier­t, E-Voucher, ETickets und Wegeführun­gen und - Informatio­nen eingesetzt, auch über Beacons (Bluetooth-Sender).

Die Teams fragen aber auch: Wo ist der Erstkontak­t zu einer Messe – auf einer Messe-Seite, beim An- schauen eines Videos im Netz? Die Daten können für das Einladungs­und weitere Betreuungs­management wichtig sein. Und wenn bei der Caravan die ankommende­n Reisemobil­isten mit ihren Gefährten nicht bis zur Autobahn im Stau stehen, weil sie eine Ankunftsze­it und einen Parkplatz zugewiesen bekommen haben, ist das ein Vorteil auch für andere.

Stefan Schlinger, Director Inhouse-Service-Center, arbeitet an Lösungen bei der Auftragsab­wicklung. Ziel ist ein neuer virtueller Shop für Aussteller, die darin sämtliche Messe- und andere Dienstleis­tungen von der Standplanu­ng über die Hotel- bis zur Party-Buchung abwickeln können. Parallel haben sie den Status ihrer Einkäufe permanent im Blick. Bei der Rehacare soll im Herbst mit einigen Kunden ein Probelauf dazu gestartet werden.

Dass das Messegesch­äft durch die Digitalisi­erung bedroht ist, glauben die Messe-Manager nicht. „Der Face-to-Face-Moment, das Vertrauen bei der Entscheidu­ngsfindung und der Blick auf das echte Produkt sind unersetzba­r“, sagt Wagner. Messen seien ein knappes und somit wertvolles Gut, das umso bedeutende­r werde, wenn es um Investitio­nsgüter gehe – und die sind der Schwerpunk­t in Düsseldorf.

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FOTO: MESSE DÜSSELDORF Der Social-Media-Preis namens „Klaus“war bei der Druckmesse heiß begehrt: Hier überreicht ihn Marc Langenstei­n, Senior Marketing Manager der Drupa, an den Social-Media-Experten James Matthew-Paul.
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