Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
„Die führende Bache richtig ansprechen“
Jägersprache ist eine Welt für sich. Da gibt es für jedes Körperteil jeder Tierart ein anderes Wort. Was beim Hirsch das Geweih, ist beim Rehbock das Gehörn und beim Muffel sind es die Schnecken. Ein Einblick ins Reich des Jäger-Lateins.
In der Umgangssprache haben sich mehr Begriffe aus der Jägersprache eingenistet, als den meisten bewusst ist. Aufs Korn nehmen, zur Strecke bringen, Rute, der Horst, das Gelege, die Brunft, die Schwarte – Wörter, die uns geläufig sind und die wir zu kennen glauben, und die ursprünglich von Jägern geprägt wurden. Die Jägersprache ist keineswegs ein Spleen von Insidern, sondern sie war schon immer durchaus nützlich. In Zeiten einer unübersichtlichen Vielstaaterei in den Ländern, die heute Deutschland sind, garantierte sie grenzüberschreitendes Verstehen. Und noch heute erleichtert sie es den Jägern, sich knapp und eindeutig auszudrücken.
Wenn der Jäger zum Beispiel von einem Mönch spricht, meint er einen dauerhaft geweihlosen, männlichen Hirsch. Gäbe es den Begriff nicht, müsste er die Eigenart des Tieres mit einem Satz umschreiben. Das „Alt-Tier“ist ein weiblicher Hirsch, nachdem es erstmals Nachwuchs hatte. Beim Hirsch spricht man vom „Setzen“. Vorher ist die Hirschkuh nur ein „Tier“oder „Schmal-Tier“.
Sagt ein Jäger, er habe ein „Stück Wild“nicht richtig „ansprechen“können, ist das kein Hinweis auf Probleme bei der Kommunikation, sondern er meint, dass er nicht sicher war, ob das potenzielle Beutetier weiblich oder männlich, führend (also mit Nachwuchs) oder nicht war. Kurz: Er konnte nicht sicher sein, ob er es schießen durfte – und hat es daher leben lassen. Ein komplizierter Sachverhalt, Jägern aber aus häufigem Erleben vertraut und mit einem Wort exakt geschildert.
Diese Sprache, im Normaljargon gerne als Jäger-Latein verspottet (womit heutzutage vermutlich eher übertriebene Erlebnisschilderungen gemeint sind), besteht aus einigen Hundert Begriffen, von denen allerdings sehr viele auch unter Jägern nicht mehr gängig sind. In Teilen klingen sie für Außenstehende auch unfreiwillig komisch. Ein Rehbock, in die Jahre gekommen und altersmüde, wird als „abgebrunftet“eingestuft. Seine Hoden heißen „Brunftkugeln“(beim Wildschwein heißen sie übrigens „Klötze“), sein Geschlechtsteil „Brunftrute“. Wächst ihm, wie jedes Jahr zum auslaufenden Winter, ein neues Gehörn, sagt man „er schiebt“. Weil die Stangen dieses Gehörns anfangs mit einer Art haariger und bald juckender Haut überzogen sind, versucht er, sie loszuwerden und reibt seinen Kopfschmuck an Zweigen oder Baumstämmen. Der Jäger spricht dann davon, dass der Bock „fegt“.
Auch die Wildschweine werden sprachlich fein unterschieden: Die Kleinen heißen „Frischlinge“, ihre Mutter (und Chefin der Rotte – so nennt man die Herde bei den wilden Schweinen) „Bache“. Vorher „hat sie inne“(sie ist, weil sie „rauschig“war, von einem Keiler „beschlagen“worden, also trächtig), und kommen die Jungen zur Welt, „frischt“die Bache. Das passiert im aus Zweigen gebauten „Kessel“. Ist der Nachwuchs ein Jahr alt, heißt er „Überläufer“(egal, ob weiblich oder männlich). Männliche Tiere sind zuerst Keiler, werden sie einige Jahre alt, spricht der Grünrock vom „Bassen“. Die Zähne der erwachsenen Sauen heißen „Gewaff, Gewehre oder Hauer“, ist das Tier weiblich, spricht man von „Haken“. Erlegt man die Schweine durch einen „waidgerechten“Schuss, vorzugsweise hinter das Ohr, trifft man den „Teller“. Weiter unten, knapp hinter dem Vorderlauf, spricht man bei Schweinen wie bei Rehen oder Hirschen vom „Blatt“(daher Blattschuss). Ein „Jährling“ist ein einjähriger Bock, „Kahlwild“sind weibliche Hirsche oder Kälber ohne Geweih. Und wenn vom „Burgfrieden“die Rede ist, hat das nichts mit dem Mittelalter zu tun, sondern das Wort beschreibt das Phänomen, dass sich Fuchs und Dachs bisweilen einen Bau teilen, und sich dabei gegenseitig akzeptieren.
Taucht der Begriff „Kurzwildbret“auf, sind die äußeren Geschlechtsteile vom Schalenwild (Wildschweine, Rehe, Hirsche) gemeint. Werden diese Teile verletzt, hat das beim männlichen Rehe unter anderem kuriose Folgen: Das danach wachsende Geweih ist von krankhaftem Gewucher bedeckt – der Jäger nennt dies „Perückengeweih“.
Auch die Werkzeuge der Jäger haben eigene Namen. So ist ein „Drilling“auch kein Tier mit zwei Geschwistern, sondern ein Gewehr mit drei Läufen, meist zweimal für Schrot und ein Kugellauf. Schrot schießt man aus der „Flinte“, Kugelgewehre nennt man „Büchse“, wie Silberbüchse bei Karl May. Und wenn der Jäger den Hochsitz wieder verlässt, dann „baumt er ab“.