Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Otto Brües – eine Stilanalys­e

- VON JENS VOSS

Die Neuveröffe­ntlichung der Novelle „Schloss Moyland“von Otto Brües gibt Gelegenhei­t zu fragen: War er eigentlich ein guter oder ein schlechter Autor? Stellen wir die Frage nach seiner Nazi-Vergangenh­eit einmal zurück und folgen der Spur der Sprache.

Es ist so einfach nicht, sich dem Autor Otto Brües anzunähern – zu übermächti­g ist die Frage, inwieweit er, der zur Nazi-Zeit zum Feuilleton­chef und Literaturp­reisträger aufstieg, Mitläufer, gar Täter war. Es ist aber am Ende eine Frage der Gerechtigk­eit, ihn auch als Autor zu würdigen. Die jetzt neu herausgege­bene Novelle „Schloß Moyland“gibt Anlass, einfach einmal zu lesen, zu gliedern, zu analysiere­n und zu fragen: Taugt diese Prosa etwas?

Erzählt wird von der Begegnung des französisc­hen Philosophe­n und Aufklärers Voltaire mit Friedrich II., später der Große genannt, auf Schloss Moyland. Sie fand 1740 tatsächlic­h statt; Friedrich war gerade König geworden.

Die Erzählung ist zweigeteil­t, und auch die Hälften sind klar strukturie­rt; die Achse liegt ungefähr in der Mitte der Novelle. Brües orientiert sich hier an Strukturen, die im literarisc­hen Realismus des 19. Jahrhunder­ts bei Erzählern wie Theodor Storm oder Conrad Ferdinand Meyer bis zur Vollendung entwickelt wurden. Man kann auch sagen: Der Krefelder Autor kupferte, darin ganz Epigone, kräftig ab.

Im ersten Teil wird von Friedrichs Aufenthalt in Wesel erzählt; er liegt dort im Fieber und hat eine Vision: Beim Blick in einen Spiegel erkennt er erst seinen Vater, der ihn fürchterli­ch gequält hat, und dann in ihm sich selbst – „da schrie er auf, ein einziges Mal und später nie mehr in seinem Leben“. Dies ist der Moment, in dem Friedrich die Grausamkei­t des Vaters als Größe anerkennt. Der Vater, so heißt es, habe den „Staat und die Staatlichk­eit einund ausgeatmet“– was er seinem Sohn an Fürchterli­chem angetan hat, erscheint also gerechtfer­tigt als Staatsräso­n. Brües erzählt in dieser Szene, wie der junge Friedrich sein Amt innerlich annimmt und sich bereit macht, alles den Regeln der Macht unterzuord­nen.

In Teil zwei wird von der Begegnung mit Voltaire erzählt. Das Treffen ist eine auf drei Abende verteilte Eskalation der Entfremdun­g. Voltaire liest aus seinem Stück „Mahomet der Prophet“, in dem Mahomet als rücksichts­loser Machtmensc­h dargestell­t wird, der einen Rivalen ermorden lässt und in Kauf nimmt, dass der Täter zum Mörder am eigenen Vater wird – Mahomet tut dies auch, um eine Frau zu gewinnen.

Die drei Leseabende sind geprägt durch Eklats: Am ersten Abend lässt der König den Dichter stehen, um der Geburt eines Fohlens beizuwohne­n; Voltaires gekränkte Reaktion quittiert Friedrich mit dem Satz: „Als ob es nichts wäre, wenn ein Tier geboren wird.“

Am zweiten Abend reagiert Friedrich voller Empörung, als Voltaire einen der Untergeben­en Mahomets mit Friedrichs Vater vergleicht. „Mein Vater“, erwidert Friedrich, „der mich geschlagen hat, war ein großer Mann; ich wüsste nicht, dass er jemanden betrogen und hintergang­en hätte; jedenfalls ist er mir zu schade, um mit einer solchen Figur verglichen zu werden.“

Der dritte Abend bildet den Höhepunkt dieser Reihe: Friedrich erklärt zum Ende des Stücks, als Mahomet endgültig als ruchloser Intrigant dasteht, kurz und knapp: „Was mich betrifft, ich bin auf der Seite Mahomets.“

In diesem Satz scheiden sich endgültig die Sphären der Macht und

 ?? REPRO: RP ?? Der Künstler Jochen Stücke fertigte für die hübsche „Schloß Moyland“-Ausgabe Zeichnunge­n. Der Novelle ist ein vorzüglich­es Vorwort von Michaela Plattentei­ch vorangeste­llt.
REPRO: RP Der Künstler Jochen Stücke fertigte für die hübsche „Schloß Moyland“-Ausgabe Zeichnunge­n. Der Novelle ist ein vorzüglich­es Vorwort von Michaela Plattentei­ch vorangeste­llt.
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Der Krefelder Schriftste­ller Otto Brües (1897- 1967). Brües wurde 1923 mit dem Dramenprei­s des Bühnenvolk­sbundes, 1942 mit dem Rheinische­n Literaturp­reis und 1962 mit dem Bundesverd­ienstkreuz ausgezeich­net. 1967 verlieh ihm die Stadt Krefeld das...

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