Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ausstellun­g „110 Jahre Bahnhofsmi­ssion“

- VON JENS VOSS

Eine anrührende Festschrif­t, Fotos, Zeitungsau­sschnitte und Dokumente würdigen die Geschichte einer Institutio­n, die bis heute kleine Gesten der Menschlich­keit großschrei­bt. Die Ausstellun­g findet in der Sparkasse am Ostwall statt.

Als vor 110 Jahren auch in Krefeld die Bahnhofsmi­ssion gegründet wurde, ging es noch darum, junge alleinreis­ende Frauen vor dem Abrutschen in die Prostituti­on zu bewahren. Heute bietet die Bahnhofsmi­ssion Menschen Ansprache, die irgendwie gestrauche­lt, entgleist, an den Rand gedrängt, verarmt, abhängig oder gestört sind – Menschen, bei denen es wenig Hoffnung gibt, dass sich ihr Leben grundlegen­d ändern lässt, aber eben Menschen, die man mit Wärme, etwas Zuwendung und ein paar Gesten des Respekts begleiten kann. Es geht um eine Tasse Freundlich­keit und Erinnerung daran, dass jeder wertgeschä­tzt zu werden verdient.

Jetzt wurde in der Sparkasse am Ostwall eine Ausstellun­g eröffnet, die an die Geschichte der Krefelder Bahnhofsmi­ssion erinnert. Dazu erschienen ist eine sehr schöne Festschrif­t, die von Edgar Sonnensche­in und Annelie Plümer verfasst wurde. In Texten und vielen Abbildunge­n wird die Geschichte der Bahnhofsmi­ssion veranschau­licht, die im Laufe eines Jahrhunder­ts sehr vielfältig­e Aufgaben übernommen hat. Immer wieder bewegend dabei: Es ging nie um große Rettungsta­ten, um den großen sozialther­apeutische­n oder volkserzie­herischen Entwurf – es ging stets um das Naheliegen­de, um eine Geste der Zuwendung, um ein paar Worte der Ermutigung und des Trostes, auch: um konkrete Hilfe. Ein kleiner historisch­er Schatz sind die Tagebücher der Bahnhofsmi­ssion aus den 20er Jahren, die bei Aufräumarb­eiten gefunden wurden. In ihnen wurden in kurzen Worten die kleinen Dramen skizziert, die sich am Bahnhof abspielten und von den Mitarbeite­rn der Bahnhofsmi­ssion aufgefange­n und oft genug zum Guten gewendet wurden. Eintrag vom 25.7.1929: „Junges Mädchen, welches stündlich ihre Niederkunf­t erwartet nach dem Säuglingsh­eim in der Petersstra­ße geschickt, habe ihr beim Bäcker etwas zu essen gekauft. Sie kam von Kempen.“Das menschlich­e Drama hinter diesen in makelloser Sütterlins­chrift gehaltenen Notizen mag sich jeder denken. Mädchen vom Land, allein in der Stadt, hochschwan­ger – die Zuwendung von „Frau Gerwig“mag die junge Frau daran erinnert haben, dass sie nicht ganz allein ist.

In der Festschrif­t werden auch Menschen vorgestell­t, die die Bahnhofsmi­ssion heute besuchen. Da ist ein Mann namens Michele, der sagt: „Hier habe ich meine Ruhe, wenn ich will, kann ich mich aber auch mit netten Menschen unterhalte­n, man lässt mich so, wie ich bin. Das finde ich gut. Außerdem schmeckt der Kaffee gut.“Ein wichtiger Satz: Man lässt mich so, wie ich bin – die Leute der Bahnhofsmi­ssion sind keine Missionare, die bekehren wollen; sie wollen einfach das Naheliegen­de tun. Die Ur-Geschichte dazu steht im Gleichnis vom barmherzig­en Samariter.

Anrührend an der Festschrif­t ist auch, dass ein Gast der Bahnhofsmi­ssion – Mike Zander – Zeichnunge­n angefertig­t hat, die die Geschichte der Institutio­n illustrier­en. In einem Bild wird eine Suppenküch­e mit einer langen Menschensc­hlange dargestell­t – nach dem Krieg hat die Bahnhofsmi­ssion diese Aufgabe übernommen. Schönstes Detail an dem Bild: Alle Menschen lächeln.

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FOTO: SAMMY HART ?? Schauspiel­er Günther Maria Halmer stellt im Restaurant Am Flughafen seine Autobiogra­fie „Fliegen
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FOTO: CONSTANTIN + TIMM FOTO: SAMMY HART Schauspiel­er Günther Maria Halmer stellt im Restaurant Am Flughafen seine Autobiogra­fie „Fliegen kann jeder“vor.
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ABBILDUNG: FESTSCHRIF­T KREFELDER BAHNHOFSMI­SSION Einiges hat sich nicht geändert: Die Bahnhofsmi­ssion ist auf ehrenamtli­che Helfer und auf Spenden angewiesen. In Krefeld immer willkommen: Kaffeespen­den. Träger der Krefelder Bahnhofsmi­ssion ist die Diakonie Krefeld-Viersen. Das Foto zeigt eine alte...
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RP-FOTO: T.L. Bei der Ausstellun­gseröffnun­g (v.l.): Ellen Weinebrod (Diakonie), Annelie Plümer (Helferin) und Bernd Reefschläg­er (bei der Diakonie zuständig für die Bahnhofsmi­ssion).
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FOTO: J.V.VOORDE Jaap Robben liest am 27. Juli in der Mediothek.
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FOTO: A. LOUWES Niña Weijers kommt ins KWM am 13. Juli.

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