Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Falsche Katze

- VON ANNETTE BOSETTI

Bildhauer Thomas Grünfeld stellt in der Sammlung Philara aus. Große Vielfalt gibt es auf kleinem Raum, darunter exquisite Fotografie­n.

Ist die Mieze echt oder unecht? In Hab-Acht-Stellung ruht das Tier in einer senfgelben Polstersku­lptur. Seine Ohren sind gespitzt, ein ungemütlic­her Augenausdr­uck ist ihm eigen. Irgendetwa­s stimmt nicht mit dieser Katze. Etwas weiter hockt ein kleiner Fuchs. Unschuldig schaut er in den Ausstellun­gsraum – eine Art Kaminzimme­r von Bildhauer Thomas Grünfeld, das er im Sammlungsh­aus Philara eingericht­et hat.

Bei näherer Betrachtun­g erkennt man, dass die Tiere tot und noch dazu Montagen sind. Der Bildhauer hat sie beim Präparator bestellt, deren Häute aus einer Kollektion von 600 Stück ausgewählt wurden und nun für einen makabren Effekt sorgen: Katzenkopf auf Kaninchenf­ell, Fuchskopf auf Katzenfell. Die Tiere sollen die Stimmung aufheizen, in Gegenwart der minimalist­ischen Skulpturen als Katalysato­r wirken. Grünfeld fordert Feuer in der Bude.

„Intercom“ist die neue Wechselaus­stellung in Gil Bronners privatem prächtigen Ausstellun­gshaus überschrie­ben. Der in Leverkusen geborene, in Köln lebende und an der Kunstakade­mie seit 2004 lehrende Künstler ist bekannt von seinen Mischwesen her. „Misfits“nennt er diese oft surrealen Skulpturen, die noch viel seltsamere Kreuzungen erleben als Katze und Fuchs. Doch dieses Mal, in seiner ersten Einzelauss­tellung in Düsseldorf, sind sie nur Randfigure­n.

Wenn Grünfeld mit einer Arbeit beginnt, dann denkt er immer schon an später, an die Räume, in denen er mit den Stücken im Ensemble Inszenieru­ngen und Atmosphäre schaffen will. „Jede Ausstellun­g ist mehr als die Summe dessen, was aufgebaut wird“, sagt er. Das ist ihm wichtig – er arbeite nicht fürs Museum, sondern für die Menschen. Insofern passt die Überschrif­t „Intercom“, die das Zwiegesprä­ch des Betrachter­s mit dem Kunstwerk meinen kann, „jede Kunst ist Kommunikat­ion“.

Intercom meint noch etwas anderes, eine Gegensprec­hanlage, die Grünfeld frei nach David Lynchs Serie „Twin Peaks“aus einer Einla- dungskarte heraus entwickelt und zum Multiple hochstilis­iert hat. Er hat die metallene Vorderseit­e mit Margaret bestückt, einer eleganten Frau, die an ihrer Zigarette zieht. Nur wer genügend Zeit mitbringt, kann erleben, wie der Rauch aus einem Schlitz in der Wand wabert. Das Ergebnis ist die Vernebelun­g von an sich klaren Verhältnis­sen. Das könnte ganz im Sinne des Künstlers sein.

Bei Grünfelds Arbeiten einfach nur hinzuschau­en, reicht nicht, man muss die anspielung­sreichen Exponate näher untersuche­n, um dem Mann auf die Schliche zu kommen, der sich selbst prozesshaf­t unzählige Versuchsan­ordnungen verordnet. Von 13 bis 14 Werklinien spricht er, manches habe er ewig nicht mehr angepackt, anderes neu belebt. Nach Flingern hat er zum Beispiel eine Filzarbeit mitgebrach­t, mit drei mal vier Meter die größte, die er geschaffen hat. „Waffe“nennt er die reliefarti­ge Kompositio­n mit Bügeleisen und T-Shirt. Anspielung­en auf Geschlecht­errollen sind dabei nicht ausgeschlo­ssen. Fünf Farben hat er flächig angeordnet nach 300 Vorskizzen. Malen konnte er nie, sagt Grünfeld, aber mit Filz Bilder schaffen, das ist ihm gelungen.

Malerisch wirkt auch sein einmaliger Ausflug in die Fotografie, der gut 20 Jahre zurücklieg­t. Vor dem Kabinett mit den erlesenen Frauenbild­ern bleibt der deckenhohe Vorhang zugezogen. Die Wände sind getönt: Peignoir heißt die Farbe, die dem weichsten aller Rosatöne mit einem Schuss Grau nachempfun­den ist. Dezent erotisch sind die Bilder, Grünfeld hat dafür die eigene Frau und Freundinne­n zum Posing gebeten, möglichst wenig Gesicht und wenig Busen sollten zu sehen

Thomas Grünfeld arbeitet nicht auf die

Präsentati­on im Museum hin, sondern

für die Menschen

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