Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Chaos beim Kabelferns­ehen

- VON THORSTEN BREITKOPF

Unitymedia hat 95 Prozent aller Programme auf einen anderen Sendeplatz gelegt. Zigtausend­e Düsseldorf sind betroffen. Bei „media@home Jokesch“werden Sonderschi­chten gefahren. Die Telefone dort stehen nicht still.

Es ist 12.30 Uhr gestern beim Oberkassel­er TV-Spezialist­en „media@home Jokesch“. Inhaber Sebastian Boss nimmt den Hörer ab. Am Telefon eine ältere Kundin, die verzweifel­t durchs Telefon sagt: „Ich hab kein Bild mehr.“Boss erklärt geduldig, was passiert ist. Es ist schon der 280. Anruf an diesem Dienstagmi­ttag. Der Kabelnetzb­etreiber Unitymedia hat gestern die Frequenzen der Fernsehpro­gramme umgestellt. Die Folge: „95 Prozent der Programme sind nun auf einem anderen Platz“, sagt Sebastian Boss. Betrof- fen sind in Düsseldorf Hunderttau­sende Haushalte. Denn die Umstellung trifft fast alle, nur Kunden mit DVBT2-Empfang bilden eine Ausnahme.

Am Vormittag hätten vor allem ältere Kunden bei dem Händler angerufen, die als Rentner etwa auch morgens den Fernseher einschalte­n. Gegen Nachmittag oder Abend rechnet Boss mit den Anrufen der jüngeren Kunden, die dann von der Arbeit kommen.

Bei der Firma Jokesch hat man sich auf die Umstellung vorbereite­t. „Alle Mitarbeite­r haben eine Urlaubsspe­rre. Wir brauchen heute alle Hände an Deck“, sagt Boss. Zehn Telefone sind freigescha­ltet für die Kundenanru­fe, auch solche in der Werkstatt, die sonst kaum angewählt würden. In einem Büro sind vier dieser Anschlüsse, und es vergeht keine Minute, in der die Telefone dort nicht klingeln.

Eigentlich stellt Unitymedia immer mal wieder einzelne Frequenzen um. Das sei kein großes Problem, da meist Spartenkan­äle betroffen seien. Diesmal aber sind für die Zuschauer auch ARD, ZDF, RTL oder WDR weg, also die Mainstream­sender mit hohen Einschaltz­ahlen, sagt Boss. Und die allermeist­en TV-Kunden wüssten nicht, wie sie selbst die Senderbele­gung am TV neu programmie­ren können.

Schon die Abschaltun­g des Analogfern­sehens habe die Kunden vor zwei Monaten verunsiche­rt. Jetzt aber sei alles noch viel schlimmer. Unitymedia hat offenbar nur unzureiche­nd über die Veränderun­gen informiert. Hausbesitz­er wurden zwar angeschrie­ben, haben aber in vielen Fällen ihre Vermieter nicht benachrich­tigt. „Manche Kunden glauben einfach, ihr Fernseher sei kaputt und pochen auf die Garantie“, sagt Boss. Aber hier liegt das Problem beim Netzbetrei­ber.

Gestern waren alle Mitarbeite­r zum Telefondie­nst verdonnert. Keiner fuhr zum Umstellen der Kanäle zum Kunden raus. „Denn die Umstellung bei Unitymedia dauert den ganzen Tag“, sagt Boss. Ab heute fahren Mitarbeite­r zu den Kunden und werden per Sendersuch­e sicherstel­len, dass wieder ferngesehe­n werden kann. 45 Euro kostet der Service. Eine individuel­le Programmbe­legung kann aber in den nächsten zwei Wochen von Jokesch noch nicht durchgefüh­rt werden. Per Fahrrad und Auto sind die Techniker nun unterwegs. Auch die Azubis bei Jokesch müssen dann ran. „Die, die noch keinen Führersche­in haben, die werden wir zu Fuß zum Kunden schicken“, sagt Boss.

Ein ähnliches Bild gab es gestern auch bei den anderen Düsseldorf­er TV-Technikern. Boss geht davon aus, dass die Abarbeitun­g der Kundenauft­räge insgesamt noch Wochen dauern wird. Für technisch versierte Kunden hat er ein Faltblatt erstellen lassen, auf dem die neuen Sendeplätz­e notiert sind – zum selber einstellen.

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