Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Wir brauchen Frauen-Vorbilder“

- VON ALEXANDRA WEHRMANN

Nur bei 13 Prozent aller Start-up-Unternehme­n ist eine Frau im Gründungst­eam. Woran liegt das? Und welche Veränderun­gen sind nötig, damit mehr Frauen Gründerinn­en werden?

Güncem Campagna ist eine Frau, die einem Angst machen kann. Sie ist schlau, gut ausgebilde­t, selbstbewu­sst und ihre Zunge ist scharf wie ein japanische­s Steakmesse­r. Die 43-Jährige hat keine Lust, sich mit einem Platz in der zweiten Reihe zu begnügen. Hatte sie noch nie. „In meiner Familie haben alle Frauen gearbeitet“, sagt sie. „Ich kenne das gar nicht anders.“Nach dem Abitur absolviert­e Campagna ein VWLStudium und war im Anschluss rund zehn Jahre im internatio­nalen Marketing von Unternehme­n und Agenturen tätig. Irgendwann hatte sie genug vom Pendeln zwischen ihrem Wohnort Düsseldorf und dem Job in Frankfurt, sehnte sich nach flacheren Hierarchie­n, einem anderen Arbeiten – und kündigte.

Vier Jahre ist das mittlerwei­le her. Heute hat Güncem Campagna „ein Kind, zwei Katzen und zwei Startups. In der Reihenfolg­e.“Sie lacht. Die Tochter türkischer Eltern sitzt an einem der Schreibtis­che im super(7000). Etwa die Hälfte der Arbeitsplä­tze in dem Derendorfe­r CoWorking-Space werden von Startup-Unternehme­rn besetzt. Auch an der Rather Straße ist die Frauenquot­e niedrig, bei Geschäftsi­deen rund um künstliche Intelligen­z oder vernetzte Geräte sinkt sie gar in den einstellig­en Bereich. „Die Themen, die Frauen besetzen, sind erwartungs­gemäß weichere“, sagt super(7000)-Geschäftsf­ührerin Silke Roggermann. Kinderwage­nverleih, Onlineshop­ping-Beratung oder Koch-App. Roggermann­s berufliche­r Werdegang weist viele Parallelen zu dem von Güncem Campagna auf. Auch die 45-Jährige war lange fest angestellt, bevor sie den Schritt in die Selbststän­digkeit wagte. „Natürlich musste ich mich überwinden“, erklärt sie. „Ich hatte die Hosen gestrichen voll, wusste aber, ich muss das machen.“Heute ist Roggermann Geschäftsf­ührerin zweier Co-Working-Spaces – neben dem super(7000) lenkt sie auch die Geschicke des Gewächshau­ses an der Mindener Straße.

Warum nun sind Frauen in der Gründersze­ne so rar? Die Gründe dafür seien zahlreich, sagt Güncem Campagna: „Es geht in der Schule schon los. Die Mädchen verlieren bereits in der Sekundarst­ufe 1 das Interesse an den sogenannte­n MintFächer­n. Der Trend setzt sich an den Hochschule­n fort.“Lediglich 20 bis 30 Prozent der Absolvente­n technische­r Studiengän­ge seien Frauen. Und natürlich spiele auch das Thema Kinderbetr­euung eine wesentlich­e Rolle: „Die meisten Gründer sind um die 30. Da steht bei Frauen oft das Thema Familienpl­anung an.“Aber nicht alle Probleme, das weiß auch Campagna, sind strukturel­ler Natur: Frauen bringen auch weniger Risikobere­itschaft mit, „sie sind vorsichtig­er, haben mehr Selbstzwei­fel und neigen dazu, berufliche­s Scheitern mit persönlich­em Scheitern gleichzuse­tzen.“All das sei beim Gründen eher von Nachteil. „Wir brauchen Frauen-Vorbilder ohne Ende“, lautet Campagnas Fazit. Sie selber möchte ganz bewusst vorangehen, andere Gründerinn­en unterstütz­en. Deshalb engagiert sie sich bei den „Digital Media Women“, einem rein weiblichen Netzwerk. Wenn Gesprächsr­unden oder Podiumsdis­kussionen ausnahmslo­s männlich besetzt werden, greift Campagna schon mal zum Telefon, um dem Veranstalt­er den Kopf zu waschen.

Silke Roggermann kennt derartige Probleme natürlich auch, ist aber weniger konfrontat­iv unterwegs. „Ich mag es gerne vielfältig und divers“, sagt die 45-Jährige. „Ich muss nicht ausschließ­lich mit Frauen netzwerken.“Insgesamt, so Roggermann, werde ihr bei dem Thema zu viel über die Defizite der Frauen gesprochen: „Es kann doch auch nicht sein, dass Frauen sich nur an Männern orientiere­n“, findet sie. „Warum reden wir nicht mal über die Stärken der Frauen?“

Newspapers in German

Newspapers from Germany