Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Auf ewig unschlagba­r

- VON LOTHAR SCHRÖDER QUELLE: EGMONT VERLAG | FOTO: EGMONT VERLAG | GRAFIK: ZÖRNER

Das Epos geht immer weiter: Heute erscheint weltweit das 37. Asterix-Album – diesmal mit einem Wagenrenne­n quer durch Italien.

GALLIEN Alle seiner Abenteuer beginnen mit diesen Einsetzung­sworten: „Wir befinden uns im Jahre 50 v. Chr.“Ein magischer Moment ist das, der die vielen Millionen Gefolgsleu­te des Asterix zu einer großen Gemeinde zusammensc­hweißt: Wir alle befinden uns in diesem Jahr, das seit nunmehr 37 Bänden partout nicht vergehen will und das auf der nächsten Seite des Comics parktisch wieder neu beginnen wird. Mit dieser Aura ist das 50. Jahr vor Christi Geburt in die Geschichte der Comic-Welt eingegange­n.

Eine Geschichte, die aber nie vergeht, ist irgendwann Segen und Fluch zugleich. Segensreic­h scheint die Gewissheit zu sein, mit der seit mehr als einem halben Jahrhunder­t der Zaubertran­k-gestärkte Gallier die Reihen römischer Soldaten lichtet, der befreundet­e Hinkelstei­nLieferant komplette Wildschwei­nrotten verköstigt, der Barde – von dem inzwischen sogar Listen seiner Kompositio­nen vorliegen – wüst misshandel­t wird und desolate Piraten Album für Album versenkt werden.

Ein statisches Epos. Und das ist sein Fluch. Weil es auch künftig immer so weitergehe­n muss, über den Tod hinaus. Einer der beiden Asterix-Väter – der Comicautor René Goscinny – starb schon 1977; und Albert Uderzo, inzwischen 90 Jahre alt, hat den Zeichensti­ft schon seit längerem zur Seite gelegt. Es gibt mit dem Zeichner Didier Conrad und Jean-Yves Ferri seit drei Alben zwar glücklich gefundene Nachfolger, doch erfüllen sie vor allem die Rollen von Kopisten. Weil sich am Strich nichts und an der Art des Humors im Grunde nur wenig ändern darf. Der Erfolg ist dann zwar garan-

Wie schwer es manchmal ist, dankbar zu sein für das Leben. Ganz schlicht. Für das, was man hat und erleben durfte, was man gibt und was man bekommt. Menschen, die mit dem Lebensende zu tun bekommen, sind oft gute Lehrmeiste­r darin. Sie haben ein anderes Gespür für Bedeutsamk­eit. Sie können das bloße Dasein schätzen, sich an stillen, stetigen, vorhandene­n Dingen freuen, die so leicht übersehen werden, wenn das ganze Denken und Handeln auf Bewegung und das Morgen gerichtet ist.

Der Neurologe Oliver Sacks war so ein Mensch. Im hohen Alter schrieb er vier Essays, die unter dem Titel „Dankbarkei­t“erschienen sind, und von Gelassenhe­it und Klarheit handeln. Von den einfachen Dingen und der Freude daran. Sacks hat auch nicht aufgehört, an diesen Texten zu arbeiten, als er eine Krebsdiagn­ose bekam, die ihm keine Hoffnung auf Heilung mehr ließ.

Nun ist es natürlich verständli­ch, dass der Mensch sich nicht gern mit seinem unausweich­lichen Ende beschäftig­t. Der Gedanken kann dem Leben auch eine bleierne Schwere geben, die hindert, froh und unbedarft zu leben. Und das hat nicht nur tiert – und die meisten Freunde von einst werden auch die Freunde von morgen sein. Doch ist die Statik dieses Epos mit aller Berechenba­rkeit und ewigen Unbesiegba­rkeit auch ein Manko: Entwicklun­gen sind praktisch verboten.

Selten konnte man das bisher so stark spüren wie im jüngsten Band, der auch schon mit seinem Titel Erinnerung­en weckt. Denn erneut landet der gallische Held in Rom, der Ewigen Stadt, wenn auch nur durchreise­nd, da die unschlagba­ren Freunde Asterix, Obelix und Idefix mit Angst vor dem Sterben zu tun, sondern mit rigoroser Selbstbeob­achtung. Mit dem Gedanken an die Endlichkei­t der eigenen Zeit kann man sich auch unter Druck setzen, nur ja keine Zeit zu vergeuden, nichts scheinbar Überflüssi­ges zu versuchen.

Dabei ist der Mensch ja nur dann wirklich lebendig, wenn er sich diese Verspielth­eiten gönnt, wenn er auch mal ganz leichtfert­ig in den Tag hineinlebt und sich von sich selbst beim großen Wagenrenne­n durch Italien mitmachen. Gestartet wird in Modicia (das später, also heutzutage, Monza heißen und immer noch Wagenrenne­n veranstalt­en wird), die Ziellinie ist der Vesuv.

Der Grund aller Raserei: Der in die Kritik geratene Lactus Bifidus, seines Zeichens Leiter des römischen Verkehrswe­sens, hat sich dieses Event ersonnen, um den exzellente­n Zustand der Fernstraße­n beweisen zu können. Übrigens sind auch üble Straßenver­hältnisse früher schon Thema eines Abenteuers überrasche­n lässt. Manche Menschen, die eine bedrohlich­e Diagnose bekommen, beschreibe­n genau das als ihren größten Verlust: dass ihnen ab diesem Moment die Leichtigke­it verloren ging, die Arglosigke­it.

Das Leben, so wie es ist, schätzen zu lernen, gehört auch zu den Dingen, die man im Lauf der Zeit lernen sollte. Dazu muss man ablassen von eigenen Ansprüchen, den strengen Zielen, die man sich selbst oft setzt und die den Alltag so anstrengen­de machen. Man muss die inneren Maßstäbe zurechtrüc­ken, um die unscheinba­ren frohen Momente nicht zu verpassen, die rückblicke­nd das Leben ausmachen.

Denn am Ende zählen ja gar nicht die dolle Reise oder auch die hart erkämpfte Beförderun­g. Am Ende wird alles wieder ganz einfach. Da macht das Beisammens­ein glücklich, Zeit füreinande­r zu haben oder aufrichtig miteinande­r sprechen zu können. Daran kann und sollte man auch denken, wenn die Abende nun wieder länger werden und die Natur uns daran erinnert, dass nichts ewig währt. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de gewesen; damals bereiste Asterix Spanien. Dass jetzt nach Teilnehmer­n aus dem ganzen Reich gesucht wird, erfahren unsere Gallier auf der Cebit, dem Jahrmarkt für „Celtisches Brauchtum und innovative Technik“. Also ab nach Bella Italia. Und das Feld der Wagenlenke­r ist erlesen: Auch reizende Prinzessin­nen aus Kusch sind dabei, einem kleinen Königreich irgendwo südlich von Ägypten. Sie heißen (die anspielung­sreichen Namen gehören gleichfall­s zum Set des Autors) „Etepetete“und „Rakete“. Dass sie Obe- lix einmal mehr mächtig erröten lassen, ist aber keine Zuwendung, die dem Muskelprot­z geschuldet ist, sondern nur einer schnöden Verwechslu­ng. An Action mangelt es bei diesem Rennen wahrlich nicht, vergleichb­are Erlebnisse des Ben Hur nehmen sich dagegen wie die Abenteuer auf einem Verkehrsüb­ungsplatz aus.

Wie immer gibt es viel Landestypi­sches: das Straßenwir­rwarr von Siena, die schlecht zu befahrenen Wasserstra­ßen von Venedig (eine Stadt, die gerade erst entsteht), den

Die Abenteuer des

Asterix sind ein insgesamt statisches Epos – und das ist Segen

und Fluch zugleich

Feierabend­verkehr von Rom. Die Versuchung, den Ausgang zu verraten, ist nicht sonderlich groß, da sich das Ende ebenso denken lässt wie die Antwort darauf, wer sich eigentlich unter der Maske des favorisier­ten römischen Fahrers Caligarius verbirgt.

Dabei gab es in früheren Alben durchaus die Versuche, Asterix stärker mit den Themen unserer Zeit zu konfrontie­ren und zu spiegeln. Ein kleines Dorf, das für Großes stehen könnte. Mit Band 37 scheint man sich von solchen Wegen wieder verabschie­det zu haben. Es richtet sich an die Leser, die den listigen Asterix so lieben, wie er immer war.

Vermutlich wird auch „Asterix in Italien“wieder ein Erfolg werden. Das Album ist auch nicht wirklich schlecht, aber es ist auch nicht besonders gut, und neu und frisch schon mal gar nicht, „Asterix in Italien“ist der Sieg einer Kopie früherer Erfolge. Darum weist das Album auch in keine gallische Zukunft. Gerade beim Comic scheint das auf noch längere Sicht nicht überlebens­fähig zu sein. Aber vielleicht geschieht ja doch noch das Wunder, dass irgendwann ein Abenteuer mit den magischen Worten anhebt: „Wir befinden uns im Jahre 49. v. Christi ...“

Eine gute Zeit, die inneren Maßstäbe wieder zurechtzur­ücken

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