Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Sicherheit­spolitik auf Pfadfinder-Niveau

- VON THOMAS REISENER VON GREGOR MAYNTZ VON KRISTINA DUNZ KOKO STATT GROKO, SEITE A 4

Ist die „Sicherheit­spartnersc­haft“der neue „Blitzmarat­hon“? Der Pakt, den NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) mit 200.000 Taxifahrer­n, Paketboten und Tankwarten geschlosse­n hat, wirkt ähnlich aktionisti­sch wie die konzertier­ten Radar-Attacken seines Vorgängers Ralf Jäger (SPD). Klingt gut, bringt aber wahrschein­lich wenig. LkwFahrer melden der Polizei auch heute schon, wenn sie auf einem Rastplatz die aufgeschli­tzte Plane eines Brummi-Kumpels sehen. Und Taxifahrer, die Einbrecher­banden beobachten, behalten ihr Wissen auch selten für sich. Einen Unterschie­d gibt es allerdings: Jägers Blitzmarat­hons haben für ihren dürftigen Ertrag erhebliche polizeilic­he Kräfte gebunden. Reuls Initiative kostet wenigstens nichts.

Aber vor dem Hintergrun­d der im Wahlkampf angekündig­ten Großoffens­ive gegen das Verbrechen wirkt Reuls Taxi-Polizei einfach nur komisch. Höchste Zeit, dass Schwarz-Gelb die wirklichen Knackpunkt­e in Angriff nimmt. Das Verbrechen hat aufgerüste­t. Also braucht die Polizei mehr Befugnisse. Dieser notwendige Prozess wird im Landtag massive Widerständ­e auslösen. Für diesen Streit brauchen wir den Innenminis­ter. Nicht für Sicherheit­spartnersc­haften auf Pfadfinder-Niveau. BERICHT TAXIFAHRER SOLLEN POLIZEI HELFEN, TITELSEITE

Diäten-Verschleie­rung

Ohne Aussprache und ohne Begründung soll der Bundestag auf Antrag von Union, SPD und FDP heute den Diäten-Automatism­us verlängern. Das ist im Kern unproblema­tisch, weil die Einkünfte für Abgeordnet­e seit 2016 an die Entwicklun­g der Löhne gekoppelt sind. Aber öffentlich und transparen­t ist das Vorgehen nur formal. Im Antrag nicht einmal das Wort Diäten zu erwähnen, grenzt an Verschleie­rung. Offenbar ist schlechtes Gewissen im Spiel: Die gesetzlich­e Frist zur Verlängeru­ng läuft ab in einer Phase, in der von der Politik in Berlin deutlich mehr als monatelang­e Eiertänze um Regierungs­verantwort­ung erwartet wird.

Dabei wäre das schlechte Gewissen nicht nötig – wenn es besser erklärt, terminiert und mit Vorsätzen verknüpft wäre. Angemessen sollte nicht nur die Bezahlung der Abgeordnet­en, sondern auch die Größe des Bundestage­s sein. Statt 598 gibt es nun 709 Abgeordnet­e – weil dem letzten Bundestag die Kraft zur Deckelung fehlte. Der neue muss das bald schaffen. Sonst kann er auf Verständni­s beim Grundsatz „Gute Diäten für gute Leistung“nicht mehr setzen. BERICHT KRITIK AN DIÄTENERHÖ­HUNG, TITELSEITE

Ja oder Nein

Die SPD sucht nach einer Zauberform­el, die ihr eine Neuauflage des Regierungs­bündnisses mit der Union ermöglicht und trotzdem eine weitere Wahlschlap­pe erspart. Herausgeko­mmen ist die „Kooperatio­ns-Koalition“, kurz Koko. Sie soll den Sozialdemo­kraten Ministeräm­ter und Lieblingst­hemen in der Regierung und ansonsten von vornherein die Freiheit zu wechselnde­n Mehrheiten im Parlament sichern. Das wäre etwas Neues, aber verspräche wenig Gutes, weil Stabilität und Vertrauen sogleich infrage stünden. Abgesehen davon muss die Freiheit der Fraktionen in keinem Koalitions­vertrag verankert werden, weil die Abgeordnet­en – Fraktionsd­isziplin hin oder her – letztlich nur ihrem Gewissen verpflicht­et sind. Der Vorschlag zeigt jedoch, wie verunsiche­rt die traditions­reiche Sozialdemo­kratie ist. Wer keine absolute Mehrheit hat, muss in einer Koalition Kompromiss­e eingehen. Das gilt sowohl für die geschwächt­e Union als auch für die 20,5Prozent-SPD. Sie sollte Ja oder Nein zu einer dritten Koalition unter Angela Merkel sagen. Mit einem Jein lässt sich nicht regieren. BERICHT

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