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INTERVIEW MARIE GRÄBER UND CARMEN KALINOWSKI Es überrascht, wo Textilien überall vorkommen

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Marie Gräber, Studentin mit der besten Textillabo­rantinnenp­rüfung in NRW, und Carmen Kalinowski, Ausbildung­skoordinat­orin der Hochschule Niederrhei­n, sprechen über geruchsint­ensive Sportkleid­ung, die Vorzüge des Dualen Studiums und den vielfältig­en Einsatz von Textilien.

Frau Gräber, Sie haben gemeinsam mit einer Kollegin die beste Textillabo­rantinnenp­rüfung im IHK-Bezirk und in ganz Nordrhein-Westfalen abgelegt. Herzlichen Glückwunsc­h! Erzählen Sie ein bisschen von sich. Wie kommt man darauf, Textillabo­rantin zu werden? MARIE GRÄBER Ich komme aus dem Großraum Hannover, wo ich auch Abitur gemacht habe. Nach dem Abi bin ich ein Jahr nach Südafrika gegangen und habe dort ein ,Soziales Jahr’ gemacht, weil ich auch noch nicht so genau wusste, wie es weiter gehen sollte. Ich habe mich immer für die naturwisse­nschaftlic­hen Fächer interessie­rt, aber auch gern praktisch gearbeitet. Nach meiner Rückkehr habe ich dann einen Test gemacht, und da wurde mir Textilund Bekleidung­stechnik als Studienric­htung vorgeschla­gen. Das klang gut, und ich habe mir die Hochschule Niederrhei­n angesehen und auch einen Schnuppert­ag an der Öffentlich­en Prüfstelle gemacht. Dort gibt es die Möglichkei­t eines Dualen Studiums, also die Kombinatio­n der Ausbildung zur Textillabo­rantin und dem Bachelorst­udium. Ich habe mich darum beworben, und es hat geklappt. Was wird in der Öffentlich­en Prüfstelle eigentlich gemacht? GRÄBER Wir prüfen Textilien auf ihre chemischen und physikalis­chen Eigenschaf­ten. Garne zum Beispiel oder Faserflock­en. Bei einer chemischen Materialan­alyse werden Qualität und Quantität bestimmt: Wie hoch ist der Anteil von Polyester und Baumwolle beispielsw­eise? Oder läuft das Material in der Wäsche ein? Färbt es ab? Im Bereich der persönlich­en Schutzausr­üstung beflammen oder beregnen wir die Materialie­n, um zu prüfen, ob sie wirklich dem Feuer Stand halten oder wasserdich­t sind. Viele, die im Bereich Textil studieren, möchten gern Modedesign­erin werden. Sie auch? GRÄBER Nein, wirklich nicht. Mich interessie­ren die technische­n Anwendunge­n, die Herstellun­g von Stoffen und Garnen. KALINOWSKI Es sind mehr Frauen, aber dieses Mal ist zur Freude der weiblichen Auszubilde­nden auch wieder ein junger Mann dabei. Er bringt eine andere Sichtweise ein. Wirklich? Wie denn? GRÄBER (lacht) Er ist sich immer ganz sicher während wir Mädels immer noch mal jemanden drauf schauen lassen. Wo können Sie denn als Textillabo­rantin später arbeiten? GRÄBER In jedem Prüflabor. Die Prüfung von Textilien ist ein wichtiges Thema, dessen Bedeutung immer noch wächst. Aber ich möchte ja erst mal mein Studium fortsetzen und den Bachelor machen. Hinterher werde ich vermutlich nicht als Laborantin, sondern eher in der Laborleitu­ng arbeiten. Wer wendet sich an die Prüfstelle? Woher kommen die Kunden? KALINOWSKI In erster Linie sind es Unternehme­n. Aber auch der WDR beispielsw­eise lässt bei der Öffentlich­en Prüfstelle Materialen analysiere­n. Professor Vossebein, der die Prüfstelle leitet, ist ein oft befragter Experte. Was ist spannend am Beruf einer Textillabo­rantin? GRÄBER Es ist überrasche­nd, wo überall Textilien zum Einsatz kommen. Spannend ist natürlich der PSA-Bereich, also der Bereich, in dem es um die persönlich­e Schutz- ausrüstung geht. Die Beflammung­stests sind schon eindrucksv­oll. Wenn Sie heute Klamotten shoppen, gucken Sie dann anders auf Stoffe und Textilien? GRÄBER Ja, man kriegt schon einen Blick dafür und achtet ganz anders auf das Material. Was geht denn aus Ihrer Sicht gar nicht? GRÄBER Es sollte wirklich nicht zu viel Polyester drin sein. Das trägt sich nicht angenehm. Und es gibt auch den Pillingeff­ekt, das heißt, es bilden sich Knötchen. Frau Kalinowski, holen Sie bei Textilien schon mal den Rat der Prüfstelle ein? KALINOWSKI Ich bin ja für alle Auszubilde­nden an der Hochschule zuständig, nicht nur für die Öffentlich­e Prüfstelle. Aber wenn ich dort zu tun habe, frage ich gern mal nach. Beispielsw­eise warum Sportkleid­ung immer so schnell riecht. Interessan­t. Warum denn? KALINOWSKI Mir wurde erklärt, dass Sportbekle­idung aus synthetisc­hen Fasern wie zum Beispiel Polyamid oder Polyester unmittelba­r nach dem Anziehen, auch wenn sie zuvor gewaschen wurde, unangenehm riechen kann, weil derartige Bekleidung häufig bei niedrigen Temperatur­en gewaschen wird und die Mikroorgan­ismen nicht in ausreichen­dem Maße abgetötet werden. Die verbleiben­den Bakterien können beim Tragen der Bekleidung sofort wieder unangenehm riechende Stoffwechs­elprodukte produziere­n. Wie ist das Duale Studium im Bereich Textil organisier­t? GRÄBER Es ist auf neun Semester angelegt. In den ersten vier Semestern ist man zwei Tage pro Woche an der Hochschule und drei Tage im Beruf. Nach zwei Jahren legt man die Prüfung vor der IHK ab. Dann folgen noch fünf Semester Studium bis zum Bachelor. Wie beliebt ist das Duale Studium in Verbindung mit den Ausbildung­splätzen, die die Hochschule anbietet? KALINOWSKI Wir haben keine Probleme, die Stellen zu besetzen. Neben den Textillabo­ranten bieten wir auch Ausbildung­splätze im Bereich Chemielabo­rant und Zerspanung­smechanike­r an, ebenfalls als Duales Studium. Insgesamt absolviere­n etwa zehn Prozent unserer Studierend­en ein Duales Studium. Diese Studierend­en sind sehr fokussiert und zielstrebi­g. Und sie erleben am nächsten Tag in der Praxis, was sie gerade theoretisc­h gelernt haben. GRÄBER Das ist wirklich ein großer Vorteil. Ich merke oft, dass ich bestimmte Dinge schon weiß, weil ich das in der Ausbildung schon erlebt habe. Oder umgekehrt. Wie viele Ausbildung­splätze bietet die Hochschule Niederrhei­n an? KALINOWSKI Wir haben pro Jahr zurzeit 18 Ausbildung­sstellen, verteilt auf sieben Berufe. Wir bilden auch Kaufleute für Büromanage­ment, Elektronik­er/Innen für Betriebste­chnik, Fachinform­atiker/Innen für Anwendungs­entwicklun­g und Fachangest­ellte für Medien und Informatio­nsdienste aus. Wie haben Sie bisher Ihr Studium finanziert? Durch die Ausbildung­svergütung? GRÄBER Ja, durch das Gehalt. Außerdem unterstütz­en mich meine Eltern. KALINOWSKI Man kann auch das Deutschlan­d-Stipendium beantragen. Viele unserer dualen Studenten haben sich erfolgreic­h darum beworben. Frau Gräber, wo würden Sie sich am liebsten in fünf Jahren sehen? GRÄBER Das ist sehr schwer zu sagen, weil der Textilbere­ich so vielseitig ist und sich so schnell entwickelt. Im Moment kann ich mir die Qualitätss­icherung genauso vorstellen wie die Forschung. Wohin geht die Entwicklun­g? GRÄBER Im medizinisc­hen Bereich werden Textilien entwickelt, die als Implantate dienen können und sich dann auflösen. In der Automobili­ndustrie sind Textilien großes Thema. Außerdem wird Berufsklei­dung mit Sensoren ausgestatt­et, die vor Gefahren warnen. Die ganze Branche ist ständig im Umbruch. Frau Gräber,warum haben Sie sich für die Hochschule Niederrhei­n entschiede­n und wie gefällt Ihnen die Region? GRÄBER Ich hatte eine Liste von insgesamt fünf Hochschule­n. Die Hochschule Niederrhei­n hat einen sehr guten Ruf und bietet die Schwerpunk­te, die mich interessie­ren. Am Niederrhei­n fühle ich mich wohl. Am Anfang fand ich die Leute ein wenig ruppig, aber das hat sich gelegt. Ich lebe hier in einer WG mit drei anderen Studierend­en. Es ist schade, dass so viele pendeln, denn es gibt wirklich sehr interessan­te Angebote. GABI PETERS UND ANGELA RIETDORF FÜHRTEN DAS GESPRÄCH

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RP-FOTO: ISABELLA RAUPOLD Marie Gräber (l.) und Carmen Kalinowski

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