Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Europäische Pflichtübung in Wien
Zum Amtsantritt der neuen österreichischen Regierung gab es erst einmal die Pflichtübung: Das Kabinett von Bundeskanzler Sebastian Kurz bekannte sich zu einem „proeuropäischen Kurs“. Das klingt gut, nur wird darunter heutzutage in der EU durchaus Unterschiedliches verstanden. Dass der neue Bundeskanzler in Wien so manches ganz anders sieht als die Bundeskanzlerin in Berlin, ist ja spätestens seit der Flüchtlingskrise kein Geheimnis mehr. Es wäre also keine Überraschung, wenn sich Österreich künftig stärker nach Osten orientieren würde, wo Länder wie Ungarn, Polen oder Tschechien laut murren über die angebliche Bevormundung durch Brüssel, Berlin und Paris.
Wenn es so kommt, könnte das auch zu einer Zerreißprobe für eine mögliche neue große Koalition in Berlin werden – mit einer SPD, die die unter Beteiligung der rechtspopulistischen FPÖ formierte Regierung in Wien als Inkarnation des Bösen sieht, während die CSU über neue Verbündete jubelt. Möglicherweise täuschen sich beide. Unsere Nachbarn wollten bei der Wahl vor allem mit ihrem verkrusteten politischen System brechen – und nicht mit Europa. Messen wir die neue österreichische Koalition also an ihren Taten, nicht an unseren Erwartungen. BERICHT
Empathie-Versagen
Wie oft hatte die Regierung es bereits vor dem 19. Dezember 2016 gesagt, dass Deutschland im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus stehe und ein Anschlag nicht ausgeschlossen werden könne? Zehn Mal? Hundert Mal? Tausend Mal? Jedenfalls einmal zu wenig, um sich selbst in allen Aspekten darauf vorzubereiten, was dann zu tun sein würde. Ausgerechnet die Opfer waren vergessen worden. Erst danach haben die Behörden die vielen Fehler analysiert. Erst nach einem Jahr hat sich der Bundestag für bessere Opferentschädigung ausgesprochen. Und erst ein Jahr danach lädt die Kanzlerin die Opfer zum Gespräch.
Effizienz ist Merkels Ding. Handeln nach Analyse von Verantwortlichkeiten. Trauerfeier besucht – abgehakt; Kontakt mit den Angehörigen – Behördenaufgabe; Gespräch mit den Opfern – vom Präsidenten erledigt. Ihr Treffen mit den Opfern kam fast ein Jahr zu spät und erst nach einem bewegenden Brief der enttäuschten Angehörigen von zwölf Todesopfer. Dem staatlichen Behördenversagen muss somit ein Empathie-Ausfall hinzugefügt werden. BERICHT
Gegen Steuerdumping
Nicht alles, was rechtens ist, ist auch richtig. Das gilt insbesondere für die Steuervermeidungspraxis mancher Großkonzerne. Natürlich müssen deren Finanzabteilungen nach Mitteln suchen, um die Steuerlast für das Unternehmen möglichst gering zu halten. Würden sie unnütz Geld zum Fenster hinauswerfen, würden sie sich dem Vorwurf der Untreue aussetzen. Allerdings hat die Kreativität, mit der zahlreiche Weltkonzerne die Steuerregelungen mancher EU-Staaten ausgenutzt haben, schon groteske Züge.
Es ist ein gutes Zeichen, das EU-Kommissarin Vestager nun bei Ikea setzt. Sie scheut weder große Namen noch langwierige rechtliche Auseinandersetzungen, wenn es darum geht, für einen fairen Wettbewerb und ein gerechtes Steuersystem zu kämpfen. Vestager allein wird es aber nicht schaffen. Auch die Mitgliedsstaaten müssen endlich konsequent dagegen vorgehen, dass in ihren Reihen einige wenige meinen, sich auf Kosten anderer bereichern zu können. Ruinösem Steuerdumping sollte gemeinsam ein Riegel vorgeschoben werden. BERICHT EU-KOMMISSION UNTERSUCHT IKEAS . . ., TITELSEITE