Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Der Spalter im Oval Office
WASHINGTON Nachdem Donald Trump am 20. Januar 2017 auf den Treppenstufen des Kapitols zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten vereidigt worden war, wandte er sich in einem 16 Minuten langen Wortschwall an sein Volk. „Wir, die Einwohner der Vereinigten Staaten, sind vereint in der Anstrengung, unser Land neu aufzubauen“, sagte Trump – ohne auch nur ein Wort über seinen Vorgänger Barack Obama zu verlieren. Seine Antrittsrede war kein Versöhnungsversuch –sie war eine Tirade. Der Wahlerfolg hatte den verbissenen Wahlkämpfer Trump nicht besänftigt, eher noch bestärkt.
Vieles von dem, was er im Stil eines nationalistischen Berserkers ankündigte, hat Donald Trump vertagt, abgeschwächt oder ganz zu den Akten gelegt. Die Nafta-Freihandelszone mit den Nachbarn Kanada und Mexiko ist nicht passé, chinesische Importe sind nicht mit Zöllen von 45 Prozent belegt. Das Bekenntnis zur Nato, der vom Kandidaten Trump für überflüssig erklärten Allianz, bleibt amerikanische Politik. Am Rio Grande und in der Wüste Sonora lässt der Bau einer Grenzmauer weiter auf sich warten. Und wenn man bedenkt, was für ein zentraler Wahlkampfslogan das „Build the Wall!“war, dann klingt es wie ein später Offenbarungseid, was Trumps Stabschef John Kelly ein Jahr nach Trumps Amtsantritt zu dem Thema zu sagen hat: Weder werde die Mauer gebaut, noch werde Mexiko dafür bezahlen. Der Präsident sei „nicht voll informiert“gewesen, als er sein Versprechen abgab.
Donald Trump, ein Weltmeister der Ankündigung, der an Taten nichts folgen lässt? Jedenfalls nichts, was die nächste Regierung nicht rasch korrigieren könnte? Die These, wie man sie neuerdings des Öfteren hört, unterschätzt die Wirkung der leisen, systematischen Schritte, mit denen der selbst ernannte Rebell die Institutionen umkrempelt. Allnm voran die Justiz.
Nicht nur, dass er mit der Ernennung Neil Gorsuchs die Kräftebalance im Supreme Court, nach etwa einjährigem Patt, wieder zugunsten des konservativen Lagers verschob. Er wird schon jetzt als derjenige US-Präsident in die Annalen eingehen, der in seinen ersten zwölf Amtsmonaten mehr Richterstellen an den Berufungsgerichten neu besetzte als irgendwer sonst. Zugute kam ihm die Blockadetaktik der Republikaner, die in der Schlussphase seines Vorgängers Barack Obama einen nach dem anderen ausbremsten, dessen Nominierung die Demokraten im Kongress durchzusetzen versuchten. Die Folge ist ein Vakuum, das nun Trump füllen kann, wohlgemerkt mit Juristen, die auf Lebenszeit berufen werden.
Im März feuerte er 46 der 93 Anwälte, die den amerikanischen Bund vor Bezirks- und Berufungsgerichten vertreten und die nach Obamas Abschied nicht gleich zurückgetreten waren. Das allein ist zwar nichts Ungewöhnliches, wiederholt es sich doch nach nahezu jedem Machtwechsel im Weißen Haus. Ungewöhnlich ist allerdings, wie Trump das Amt mit persönlichen Interessen vermengt – was eine Episode am Rande schlaglichtartig erhellt. Obwohl er sich um Personal der mittleren Leitungsebene ansonsten nicht kümmert, legte er Wert darauf, den Kandidaten für den Hauptstadtbezirk District of Columbia zu einem Gespräch zu empfangen. Jenen Staatsanwalt also, in dessen Zuständigkeit potenzielle Strafverfahren gegen ihn und seine Mitarbeiter fallen.
Ob es sich bei Donald Trump um einen Betriebsunfall handelt, den die amerikanische Demokratie in ihrer Stabilität verschmerzen kann und den sie irgendwann abgehakt haben wird: Viele Debatten in Washington drehen sich um diese Frage. Der Mann habe bereits enormen Schaden angerichtet, womög-
„Wer Journalisten als Feinde des Volkes bezeichnet, nimmt eine Anleihe bei Josef Stalin“
Jeff Flake
Republikanischer Senator aus Arizona