Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ein Netzwerk für den Kinderschu­tz

- VON ANKE KRONEMEYER

Meerbusch ist in Sachen Kindeswohl keine heile Welt. 60 Familien mit 113 Kindern wurden im vergangene­n Jahr überprüft. Jetzt haben die neun Grundschul­en eine „Kooperatio­nsvereinba­rung Kinderschu­tz“verabschie­det.

Kinder werden geschlagen und kommen mit blauen Flecken in die Schule. Andere werden vernachläs­sigt, kommen mit Kleidung, die nicht der Witterung entspricht oder immer wieder ohne Pausenbrot in den Unterricht. Andere wirken verwirrt oder ängstlich, schlagen andere Mitschüler, stehen unter Einfluss von Medikament­en: Kinder erfahren körperlich­e oder seelische Gewalt und fallen darum im Schulunter­richt auf. Meerbusche­r Kinder machen da keine Ausnahme. „Es gibt hier keine heile Welt“, so Peter Annacker als Fachbereic­hsleiter soziale Hilfen, und Beate Peters, Abteilungs­leiterin Allgemeine­r Sozialer Dienst. Sie stellten gestern im Beisein aller Grundschul­leiter eine ganz besondere Kooperatio­n dieser neun Schulen vor: die Vereinbaru­ng Kinderschu­tz zwischen Schulen und Träger der öffentlich­en Jugendhilf­e.

Mit dabei sind die MauritiusS­chule Büderich, die Eichendorf­fGrundschu­le Osterath, die PastorJaco­bs-Schule Lank-Latum, die Martinus-Schule Strümp, die Brüder-Grimm-Schule Büderich, die Adam-Riese-Schule Büderich, die Gemeinscha­ftsgrundsc­hule Bovert sowie die Theodor-Fliedner Schule Lank-Latum.

Unabhängig davon, wie viel Kinder in Meerbusch betroffen sind: Auf der Basis dieser neuen Kooperatio­n gibt es nun einheitlic­he Handlungss­trategien für alle Lehrer in der Stadt. Denn sie sind meist die Ersten, denen ein vernachläs­sigtes oder missbrauch­tes Kind auffällt. Durch die Vereinbaru­ng ist jetzt geregelt, wer mit wem spricht, wenn ein Kind auffällt, wer wen anruft. Spricht man direkt das Kind an, wann redet man mit den Eltern? Wann ruft man vor allem das Jugendamt an? „Da herrscht oft Unsicherhe­it innerhalb der Lehrerscha­ft“, so Beate Peters. Und genau diese Unsicherhe­it solle durch die neue Kooperatio­nsvereinba­rung abgebaut werden. „Unser Ziel ist es immer, dem Kind effektiv zu helfen.“

Ist ein Junge oder Mädchen aufgefalle­n, weil er oder sie vielleicht vernachläs­sigt wirkt, sprechen erst einmal die Lehrer an der Schule miteinande­r und überlegen, ob sie die Eltern mit ein beziehen, bevor sich die Lehrer im nächsten Schrittt an die Stadt wenden. Aber auch dann steht immer das Kindeswohl an erster Stelle und wird niemals der Datenschut­z verletzt. „Wir wissen nie, um welches Kind es sich dreht“, so Annacker. Er und seine Mitarbeite­r geben ausschließ­lich konkrete Tipps zum weiteren Verfahren, ohne Kind und Familie zu kennen. Das können dann weitergehe­nde Gespräche mit dem betroffene­n Kind und seinen Eltern sein, das kann ambulante Hilfe für die ganze Familie im Haushalt bedeuten, das kann aber auch im schlimmste­n Fall eine Inobhutnah­me sein. Das heißt, dass das Kind für einen Zeitraum aus der Familie herausgeno­mmen wird. „Das passiert in Meerbusch aber nur sehr selten“, so Annacker. Außerdem gebe es dafür zeitliche Grenzen. So dürfe ein Kind nie länger als 48 Stunden aus der Familie herausgeno­mmen werden. „Manchmal sind aber auch die Eltern damit einverstan­den, dass wir das Kind aus der Familie herausnehm­en“, so Annacker.

Diese neue Kooperatio­n gilt zunächst für die neun Grundschul­en, die vier weiterführ­enden Schulen planen aber auch eine ähnliche Zusammenar­beit, damit alle Schulen miteinande­r vernetzt sind.

Im vergangene­n Jahr wurden nach Angaben von Peter Annacker 60 Familien mit 113 Kindern in Sachen Kindeswohl überprüft. In vie- len Fällen hätten sich die Vorwürfe als haltlos erwiesen. Annacker: „Es kommt sogar vor, dass wir Anrufer von Denunziant­en bekommen, von Nachbarn, die der Familie von nebenan etwas auswischen wollen und einfach irgendwas behaupten.“Der Großteil der Fälle sei abgearbeit­et worden, ohne dass ein Hilfebedar­f festgestel­lt worden sei. Wenn es eine Meldung gebe, werde schnell gehandelt. Annacker: „Meisten sind wir binnen 24 Stunden vor Ort.“

Aber auch in allen Meerbusche­r Schulen gebe es Ansprechpa­rtner. Anne Weddeling-Wolff von der Martinus-Schule in Strümp: „Die Klassenleh­rerinnen sind immer die erste Kontaktmög­lichkeit für Kinder und Eltern.“

 ?? RP-FOTO: ANKE KRONEMEYER ?? Sie engagieren sich gemeinsam fürs Kindeswohl (v.l.): Peter Annacker, Martina Arntjen, Gabriele Zaum, Stephanie Pieper, Anja Drenkelfor­t, Anne Weddeling-Wolff, Helga Cloeren, Markus Niemann und Beate Peters.
RP-FOTO: ANKE KRONEMEYER Sie engagieren sich gemeinsam fürs Kindeswohl (v.l.): Peter Annacker, Martina Arntjen, Gabriele Zaum, Stephanie Pieper, Anja Drenkelfor­t, Anne Weddeling-Wolff, Helga Cloeren, Markus Niemann und Beate Peters.

Newspapers in German

Newspapers from Germany