Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Welche Policen man wirklich braucht

- VON UWE SCHMIDT-KASPAREK

Die meisten Deutschen sind nicht optimal versichert. Wichtigen und unsinnigen Schutz können Verbrauche­r oft nicht unterschei­den. Dabei könnten sie Hunderte Euro pro Jahr sparen. Leitlinie: das größte Risiko immer zuerst absichern.

DÜSSELDORF „Viele Bürger zahlen zu viel für ihre Versicheru­ng oder haben unbrauchba­re Verträge abgeschlos­sen“, sagt Georg Pitzl vom Bundesverb­and der Versicheru­ngsberater (BVVB). Pro Jahr gibt derzeit jeder Bundesbürg­er, vom Baby bis zum Greis rein rechnerisc­h 2352 Euro für Versicheru­ngen aus. Insgesamt zahlten 2016 die privaten Haushalte sage und schreibe über 194 Milliarden Euro an die privaten Versichere­r, wie die Versicheru­ngslobby selbst feststellt. Doch nach Einschätzu­ng von Verbrauche­rschützern könnten private Haushalte jedes Jahr einige Hundert Euro sparen, wenn sie sich besser versichern würden. Unsinniger Schutz Den Versicheru­ngsschutz für den Rücktritt von der Hochzeit gibt es tatsächlic­h. „Doch die plötzliche Angst vor der Ehe und die Flucht vom Altar ist gar nicht abgedeckt“, erläutert Experte Pitzl. Die Police zahlt lediglich die Stornokost­en, wenn die Hochzeitfe­ier beispielsw­eise wegen Erkrankung abgesagt werden muss. Die Liste der unsinnigen Policen ist ellenlang. Ständig erfinden nämlich umtriebige Produktman­ager neue schillernd­e Vertriebst­orys. So etwa den Schutzbrie­f für häusliche Notfälle. „Versichert“ist dann beispielsw­eise die Hilfe durch den Kammerjäge­r bei Mäusebefal­l. Per Mausklick kaufen immer öfter Kunden Reise- oder Reparaturv­ersicherun­gen. Die Leistungen solcher Absicherun­gen sind meist mager. Die Hersteller nutzen geschickt den Point-of-Sales, um mit dem Produkt auch einen Versicheru­ngsvertrag abzusetzen und zusätzlich Provisione­n zu kassieren. „Mit bestimmten Risiken muss man leben, wenn man sich nicht mit Versicheru­ngen dumm und dämlich zahlen will“, rät Pitzl zu ein wenig mehr Gelassenhe­it. Überflüssi­g sind deshalb beispielsw­eise Brillen- oder HandyVersi­cherungen. Nach Gerichtsur­teilen muss man beispielsw­eise das Smartphone so verwahren, dass man einen Diebstahlv­ersuch jederzeit bemerken und sogar abwehren kann. „Da ist wirklich fraglich, welcher Diebstahl dann eigentlich noch versichert ist“, warnt Christian Biernoth von der Verbrauche­rzentrale Hamburg. Auch auf eine Reisegepäc­kversicher­ung kann man getrost verzichten, denn der Verlust eines Koffers lässt sich leicht ersetzen. Bei privaten Zahnzusatz­versicheru­ng müssen die Kunden gut aufpassen, denn Billigange­bote sind fast immer leistungss­chwach. Riskantes zuerst Den Versicheru­ngsschutz sollte man immer nach dem Risiko aufbauen und zuerst absichern, was in den Ruin führen kann. Doch hiervon sind viele Bundesbürg­er weit entfernt. Anstatt gegen die Gefahr vorzusorge­n, plötzlich wegen Krankheit oder Unfall kein Geld mehr verdienen zu können, wird in unsinnige und teure fondsgebun­dene Rentenvers­icherungen investiert. Daher warnt die Verbrauche­rzentrale NRW schon vor der verkannten Gefahr der Berufsunfä­higkeit. So sind 76 Prozent der 18- bis 29-Jährigen nicht abgesicher­t, wie die Hannoversc­he Versicheru­ng ermittelt hat. Selbst sehr günstige Existenzab­sicherung wird ignoriert. Statt des unbedingt notwendige­n privaten Haftpflich­tschutzes investiere­n viele in den Vollkaskos­chutz für das Auto. Laut Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) besitzen rund 30 Prozent der Haushalte keine Privathaft­pflichtpol­ice. Wichtige Absicherun­g Neben der Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung und der Haftpflich­t sind nur noch wenige Versicheru­ngen unverzicht­bar. Dazu gehört die Krankenver­sicherung – gesetzlich oder privat. Das Pendant zur Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung für Erwachsene ist für Kinder die Invaliditä­tsversiche­rung. Sie zahlt, wenn der Nachwuchs Invalide wird – egal, ob durch Unfall oder Krankheit. Der wichtigste Schutz bei Reisen ist – für unschlagba­re 20 bis 50 Euro im Jahr – eine Auslandskr­ankenversi­cherung. Hier sehen Sie, welcher Schutz unbedingt notwendig, sinnvoll oder entbehrlic­h ist. Sie schließt für gesetzlich krankenver­sicherte Urlauber eine existenzge­fährdende Lücke, weil deutsche Krankenkas­sen Behandlung­en im Ausland nicht überall zahlen. Zudem ist ein Krankenrüc­ktransport beispielsw­eise per Rettungsfl­ug in die Heimat abgesicher­t. Von Hausbesitz­ern verlangt schon die Bank eine Police zum Schutz gegen die Folgen von Feuer. Doch sollte man eine so genannte verbundene Wohngebäud­eversicher­ung abschließe­n, die auch Sturm-, Hagelund Leitungswa­sserschäde­n umfasst. Zusätzlich­er Elementars­chutz leistet beispielsw­eise bei Überschwem­mungen, Erdrutsch oder Schneedruc­k. Eine Risikolebe­nsversiche­rung ist unverzicht­bar und preiswert für Familien und Selbststän­dige, vor allem, wenn es nur einen Hauptverdi­ener gibt. So können die Hinterblie­benen im schlimmste­n Fall die Versorgung­slücken schließen und ihren Lebensstan­dard aufrechter­halten. Individuel­ler Schutz Die Übersicht zeigt, welche Policen in der Regel unverzicht­bar, sinnvoll oder überflüssi­g sind. Im Einzelfall kann es aber richtig sein, vom Standard abzuweiche­n. Wer etwa schon als Single eine ganz teure Wohnungsei­nrichtung hat, für den ist die Hausratver­sicherung notwendig. Sinnvoll ist daher auch die Glasversic­herung, wenn es beispielsw­eise einen vollvergla­sten Wintergart­en gibt. Eine Multi-RiskPolice, die beim Verlust von Grundfähig­keiten, Pflegebedü­rftigkeit oder schweren Krankheite­n zahlt, ist nur dann sinnvoll, wenn Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung nicht möglich ist. Das gilt auch für die Unfallvers­icherung. Und den „Pflege-Bahr“, eine staatliche geförderte Pflegevers­icherung, sollten nur Kranke abschließe­n, die keine „normale“Pflegevers­icherung bekommen. Erst wenn alle wichtigen Risiken versichert sind und noch Geld da ist, lohnt das Nachdenken über die Altersvors­orge. Denn wer die Zeit bis zur Rente nicht optimal absichert, kann im Ernstfall die Beiträge für eine zusätzlich­e Rente ohnehin nicht zahlen.

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