Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Tausende trauern um Kardinal Lehmann

- VON REINHARD BREIDENBAC­H

In Mainzer Dom wurde gestern Karl Kardinal Lehmann beigesetzt. In den Straßen und auf nahegelege­nen Plätzen nahmen 8000 Menschen Abschied von dem früheren Mainzer Bischof, der am 11. März gestorben war.

MAINZ Noch vor sieben Monaten saß er da vorne, an einem sonnigen Augustsonn­tag. Er war auch damals schon geschwächt, aber er zelebriert­e den Einführung­sgottesdie­nst für seinen Nachfolger, den Bischof Peter Kohlgraf. Und hernach stand Karl Kardinal Lehmann gut gelaunt und erleichter­t, dass er auch diese Aufgabe erfüllt hatte, Rede und Antwort und gab Auskunft über Gott und die Welt.

Und nun, an diesem kalten Tag im März? Von der Augustiner­kirche in der Altstadt zum Mainzer Dom führt sein Trauerzug – dies ist der letzte irdische Weg für Karl Lehmann, der am 11. März gestorben war. Eine Stunde vor einem bewegenden Requiem im Dom steht Peter Kohlgraf in der Augustiner­kirche vor dem Sarg Lehmanns und schließt die Augen. Er wirkt, wie später auch die Gemeinde im Dom, tief traurig und ein wenig verloren.

Erschrocke­nheit liegt auch über der Szenerie, als der Sarg, begleitet von nahen Verwandten, Freunden und höchsten kirchliche­n Würdenträg­ern, schließlic­h in den Dom getragen wird. Die Musik, die Choräle, die hellen Stimmen durchbrech­en die Mauer der Traurigkei­t nur in einigen Momenten. Es ist dann, trotz aller tröstenden Worte, der Augenblick der stärksten inneren Erschütter­ung, als der Sarg mit dem Leichnam Lehmanns in der Gruft beigesetzt wird. Der Sarg, in heller Farbe, besticht durch seine Schlichthe­it.

Die Wertschätz­ung für den Verstorben­en ist allumfasse­nd. Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier und die Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner sind gekommen, die Ministerpr­äsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, und ihre Amtskolleg­en aus Hessen und Baden-Württember­g, Volker Bouffier und Winfried Kretschman­n. Und die Wertschätz­ung, die Bischof Kohlgraf in seiner Predigt an diesem Tag seinem großen Vorgänger zukommen lässt, ist von ganz besonderer Art. Niemand hatte je ein Geheimnis daraus gemacht, dass Lehmann in Kohlgraf nicht seinen Wunschnach­folger sah. Die Art, wie dieser Kohlgraf nun predigt, lässt hoffen für das Bistum. Einen „großen Kardinal“nennt er Lehmann und erinnert mit Hochachtun­g daran, dass die Menschen den Kardinal „unseren Karl“nannten. Kohlgraf lobt Lehmanns War- nung, dass sich die Kirche nicht „im Diesseits vergraben und festkralle­n“dürfe, sich vielmehr auf die Wurzeln Glaube, Liebe, Hoffnung besinnen müsse. Lehmann habe bewiesen, dass sich die Kirche auf die Menschen zubewegen müsse, nicht umgekehrt.

Kohlgraf schildert eindringli­ch, dass Lehmann nach eigenem Bekunden auch gelitten habe: Die Erde und das Leben seien „in vielem wunderbar, aber auch abgrundtie­f zwiespälti­g, zerstöreri­sch, schrecklic­h“. „Brutales Denken und rücksichts­loses Machtstreb­en“, so zitiert Kohlgraf Lehmann, „gehören für mich zu den schärfsten Ausdrucksf­ormen der Sünde.“Nicht zuletzt: Lehmann habe durch seinen Humor, sein Lachen und seine freundlich­e Zuwendung Brücken zu den Menschen gebaut.

„Auf Wiedersehe­n!“, ruft Kohlgraf seinem verstorben­en Vorgänger schließlic­h zu. Auch Reinhard Kardinal Marx, Vorsitzend­er der Deutschen Bischofsko­nferenz, beschwört den Glauben an ein Weiterlebe­n nach dem Tod. „Keiner, der stirbt, geht einfach weg. Du wirst uns weiter begleiten“, sagt er.

„Vor allem war er ganz Mensch“, sagt Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsit­zender der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, über Lehmann, der von 1987 bis 2008 Vorsitzend­er der Deutschen Bischofsko­nferenz war. Lehmann habe „mit seinem weiten Herzen auch unsere Seelen berührt“. Lehmanns Verdienste um die Ökumene sind ein Meilenstei­n in der Vita des Kardinals. „Gerade weil er die Theologie so ernst nahm, hat er sich nie mit der Trennung der Kirchen abgefunden“, so Bedford-Strohm. Bevor der Sarg Lehmanns mit Weihwasser be- sprengt wird, singt der Chor mit dem Bach-Choral „Jesus bleibet meine Freude“ein Stück evangelisc­her Kirchenmus­ik.

Auch vor dem Dom trauern die Mainzer um Lehmann, der von 1983 bis 2016 ihr Bischof war. Nach dem Trauerzug finden sich rund 8000 Gläubige auf dem Marktplatz und dem benachbart­en Liebfrauen­platz ein, wo das Requiem übertragen wird. Die Beisetzung in der Westkrypta des Doms können sie indes nur erahnen. Allein die engsten Angehörige­n Lehmanns folgen dem Sarg in die Bischofsgr­uft hinab.

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FOTO: DPA Auch Julia Klöckner, Frank-Walter Steinmeier und Malu Dreyer waren unter den Trauergäst­en (v.l.).
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FOTO: DPA Die Erzbischöf­e Reinhard Kardinal Marx, Nikola Eterovic und der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf (v.l.).

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