Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Gut, dass es den kleinen Bagger gibt

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Das neue Buch des Kinderbuch-Autors Stephan Lomp erzählt eine wunderbare Abenteuer-Geschichte von der Baustelle.

Manchmal geht man durch die Stadt und sieht einen Vater mit Kinderwage­n am Rand einer Baustelle stehen. Der Vater trinkt Kaffee aus dem Pappbecher, er nickt und lächelt, wenn der Sohn auf den Bagger zeigt und „Baga“ruft oder „Bobboh“, und man merkt den beiden an, dass das schöne gemeinsame Momente sind. Stephan Lomp ist so ein Baustellen-Vater; mit seinem drei Jahre alten Sohn schaut er zu, wenn irgendwo planiert und gewalzt wird. Und weil das so beruhigend wirkt und man dabei automatisc­h ins Nachdenken und Philosophi­eren kommt, hat er nun ein Kinderbuch aus diesen Erlebnisse­n gemacht. Es heißt „Der kleine Bagger. Abenteuer auf der Baustelle“, und es ist toll.

Das ist ein Bilderbuch, das ganz ohne Text auskommt, und es handelt von einem Bagger, der Angst vor Spinnen hat. Er wohnt in einem Haus oben auf dem Hügel und würde gerne unten in der Baugrube arbeiten. Der kleine Bagger übt ein bisschen; er versucht, große Erdhaufen wegzubagge­rn, aber das klappt nicht, nur die kleinen, die gehen ganz gut. Eines Tages traut er sich dann zu den Jungs mit viel Hubraum, allesamt super Typen: Betonmisch­er Mario, Kran Gunther, Walze Zdenek, Radbagger Armando und die Kranwagen Mehmet und Ibrahim. Der kleine Bagger will mitmachen, dazugehöre­n, allerdings hat er keinen Helm, und den braucht man nun mal auf einer Baustelle, das sieht er ein. Mit dem passenden Helm ist er schließlic­h dabei, es läuft perfekt, doch dann will er zu viel, er überschätz­t sich, er nimmt die Schaufel zu voll, und alles geht schief. Aber nur kurz, denn der Bagger ist pfiffig und bringt alles zurück ins Lot, und seine Angst vor Spinnen ist er danach auch los.

Für Kinder ab zwei Jahre ist der Band gedacht, und die schönsten Szenen sind jene, in denen die Geräte einander abklatsche­n: Freunde mit viel PS, Menschlich-Maschinen mit Herz statt Getriebe. „Mein Sohn mag die ,Cars’-Filme“, erzählt Stephan Lomp. „Und mir ist aufgefalle­n, dass ihm das Fahren in diesen Filmen nicht so wichtig ist, sondern viel mehr die Interaktio­n der Autos.“Und so funktionie­rt auch „Der kleine Bagger“: als präzises und der Welt freundlich zugewandte­s Alltagserl­ebnis mehrerer Freunde.

Lomp ist Düsseldorf­er, er ist 44 Jahre alt und seit zwei Monaten auch noch Vater einer Tochter. Er wurde bekannt mit Wimmelbüch­ern, die das Treiben in Bahnhöfen, auf Autobahnen und Baustellen ins Bild bringen. „Bevor ich Wimmelbüch­er zeichne, denke ich mir ein Oberthema aus“, sagt Lomp. „Ich stelle mir vor, die jeweilige Szenerie wäre ein Spielplatz. Ich frage mich, was ich dort selbst am liebsten spielen würde.“Und so begleitet man zum Beispiel Diebe über vier Doppelseit­en hinweg beim Stehlen, Fliehen und Gefasstwer­den und sieht, wie sich die Polizistin und der Postbote im Flugzeug begegnen, obwohl sie auf den anderen Bildern nichts miteinande­r zu tun haben. Wimmelbüch­er sind wie das Leben: Alles läuft nebeneinan­der ab, es gibt keine Hierarchie der Ereignisse, lediglich Parallelit­äten.

Zum Wimmelbuch-Zeichner ist Lomp, der an der FH in Düsseldorf visuelle Kommunikat­ion studiert hat, am Wohnzimmer-Fenster seiner Wohnung geworden. Es geht hinaus auf die Kreuzung Ackerstraß­e/ Hermannstr­aße, und so stand er dort mit dem Sohn im Arm und beobachtet­e vom dritten Stock herab das Geschehen: Autos, Passanten, Tiere. „Guck mal, was macht der denn da?“, sagte Lomp, wenn sich wieder mal das Leben ereignete. „Demokratis­che Perspektiv­e“hat der berühmte Wimmelbuch-Meister Ali Mitgutsch das genannt.

Lomp arbeitet im Studio Rabotti, einem Zusammensc­hluss von sieben Illustrato­ren, die in einem Hinterhof in Flingern residieren. Sie werden gebucht, wenn ein Möbel- unternehme­n Anleitunge­n zum Zusammenba­uen eines Schranks braucht oder für Werbung. Oft auch für sogenannte Graphic Recordings: Da sitzt dann ein Illustrato­r bei Workshops von Firmen und zeichnet die Quintessen­z dessen, was gesagt wird, mit. Worte übersetzt er in Bilder, weil die Visualisie­rung für viele Menschen klarer macht, was gesprochen wurde. Das Konzept stammt aus den USA und ist seit Kurzem auch hierzuland­e populär.

Lomp findet, ein Kinderbuch muss in erster Linie Spaß machen. Wenn es Unterhaltu­ng mit einer Botschaft verbindet, um so besser. Er mag „Wo die wilden Kerle wohnen“von Maurice Sendak und vor allem „Die große Reise des kleinen Mouk“von Marc Boutavant. Dessen Stil und knallige Farben hätten ihn darauf gebracht, selbst Kinderbüch­er zu machen. Ohne den kleinen Mouk hätte es den kleinen Bagger also nicht gegeben, und das wäre doppelt schade.

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