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Türkische Gleichschaltung
99 Prozent der türkischen Medien sind nun unter Kontrolle der Regierung. Damit will Staatspräsident Erdogan offenbar schon seinen Wahlsieg 2019 absichern.
ANKARA Am Mittwoch platzte in der Türkei eine nachrichtliche Bombe: Die größte türkische Mediengruppe Dogan Medya teilte in einer Erklärung mit, sie werde alle ihre Medienunternehmen an die Holding des Erdogan-treuen Unternehmers Erdogan Demirören verkaufen. Damit wird Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan nach Einschätzung von Medienexperten in Zukunft mehr als 99 Prozent der türkischen Medien direkt oder indirekt politisch kontrollieren.
Zur Dogan-Gruppe gehören die mit rund 325.000 Exemplaren auflagenstärkste türkische Zeitung „Hürriyet“, die einflussreichen TV-Nachrichtensender CNN-Türk und Kanal D sowie mit DHA die einzige verbliebene große Nachrichtenagentur des Landes neben der staatlichen Agentur Anadolu. Trotz massiver Einflussnahme seitens der Regierung hatten die Dogan-Medien bis zuletzt versucht, sich einen Rest an Unabhängigkeit zu bewahren. Sie galten als letzte mediale Bastion des Säkularismus und des alten säkularen Establishments.
Laut der türkischen Website T-24 zahlt der milliardenschwere Istanbuler Tycoon Demirören rund eine Milliarde Euro für den Kauf; im Hintergrund stehe ein regierungsnahes Konsortium. Der vor allem im Energiesektor starke Mischkonzern des 79-jährigen Greises steigt mit dem Kauf zur größten Mediengruppe des Landes auf. Der Unternehmer ist für seine unterwürfige Haltung bekannt. 2014 war ein Telefonmitschnitt publik geworden, in dem er sich beim damaligen Regierungschef Erdogan unter Tränen für kritische Artikel entschuldigte: „Warum habe ich mich nur in dieses Gewerbe begeben?“Drei Jahre zuvor hatte er die damals noch seriösen Zeitungen „Milliyet“und „Vatan“von Dogan erworben und auf einen regierungsnahen Kurs gezwungen.
Über die rigorose Umwandlungspolitik Demirörens sagt der in Washington lebende ehemalige „Vatan“-Redakteur Ilhan Tanir: „Ab Ende 2013 wurden regierungskritische Artikel massiv zensiert. Einen Tag nach der Kommunalwahl im März des folgenden Jahres übergab ein Erdogan-Mann unserem Chefredakteur eine Liste mit einem halben Dutzend Journalisten, die sofort entlassen werden sollten. Ich war damals im Raum und wurde gefeuert.“Der Fehler liegt im System: Alle bedeutenden Medien der Türkei gehören großen Wirtschaftskonzernen, was sie anfällig für Druck durch die Regierung macht.
Medienzar Aydin Dogan, der gleichfalls schwerreiche und mit 81 Jahren ebenfalls greise Verkäufer, galt lange als mächtiger medialer Gegenspieler Erdogans und dessen islamischer Regierungspartei AKP. Seine Mediengruppe stand aber spätestens seit 2009 auf verlorenem Posten. In jenem Jahr verhängten die Finanzbehörden eine Strafe in Höhe von 2,5 Milliarden Euro wegen Steuervergehen gegen den Konzern; Dogan musste seine Flaggschiffe „Vatan“und „Milliyet“veräußern. Auch in der Folgezeit griff Regierungschef Erdogan die Dogan-Medien immer wieder massiv an. Vor der Parlamentswahl im November 2015 erklärte ein AKP-Abgeordneter im Fernsehen: „Wir wissen, wie wir Aydin Dogan die Nägel und die Zähne ausreißen können.“
Dass CNN-Türk Erdogan in der Putschnacht vom 15. Juli 2016 per Zuschaltung die Möglichkeit gab, die Massen zu seiner Rettung zu mobilisieren, brachte Aydin Dogan nur eine kurze Verschnaufpause. Der Unternehmer fügte sich zunehmend dem Druck aus dem Umfeld Erdogans, entließ kritische Kolumnisten und Moderatoren. Den letzten verbliebenen Erdogan-Kritikern kündigte der berüchtigte regierungsnahe Kolumnist Cem Kücük jetzt per Twitter an, dass sie zwar entlassen würden, aber gute Abfindungen erhielten: „Es ist Zeit für Frieden in den türkischen Medien.“
Yavuz Baydar, in Paris lebender Chefredakteur der exiltürkischen Nachrichtenwebsite Ahval News, nennt den Verkauf der Dogan-Medien ein „Erdbeben für die türkischen Medien, aber auch die Politik“. „Die Dogan-Medien seien zwar bereits zur Selbstzensur gezwungen gewesen, doch habe Erdogan vor den entscheidenden Wahlen des nächsten Jahres jede Unwägbarkeit ausschalten wollen. Jetzt sei die Gleichschaltung des wichtigsten In-