Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Provinziell
Man mag sich bezüglich kultureller und sportlicher Einfälle durchaus in kritischer Distanz zum Oberbürgermeister bewegen, und es ist sicher auch nicht falsch, ihm den Vorwurf einer gelegentlich zumindest ungeschickten Kommunikation zu machen, aber im Fall des Ed-SheeranKonzerts lag er völlig richtig: Eine Stadt wie Düsseldorf, die ihren Markenkern als weltoffene Metropole der kurzen Wege etablieren möchte, muss nicht nur theoretisch in der Lage sein, Großveranstaltungen durchzuführen, sie muss es – das ist notwendig – gelegentlich auch beweisen! Das Signal an Deutschland und die Welt, für dessen Verbreitung 85.000 enttäuschte Fans sorgen werden, ist verheerend. Die Partiku- larinteressen, die sich nun durchgesetzt haben, sind von provinziellen Egoismen geprägt, schaden der Stadt in noch nicht absehbarer Weise und lassen die Veranstalter andernorts zukünftig jubeln – in Köln wäre das nicht passiert! Kai Hackemann per Mail Wenn in Deutschland 470.000 hier lebende Türken, in Essen gar 75 Prozent, die die Wohltaten unseres Sozialstaates und der Demokratie genießen, ihre Stimme dem Demokratieverächter Erdogan geben, der jeden Missliebigen aus Staatsdiensten entlässt, Journalisten monatelang in Haft setzt, Kritiker einlocht, Zu „Integrationsdebatte nach Erdogan-Wahl“(RP vom 27. Juni): Den Artikel zur Erdogan-Wahl in Deutschland mit mangelndem Demokratieverständnis zu beginnen und mit der Empfehlung zu mehr islamischem Religionsunterricht zu enden, hat mich sprachlos gemacht. Gegen zu wenig Demokratieverständnis hilft mehr Demokratieverständnis. Oder? Wird in unseren Schulen nicht mehr das Dritte Reich rauf und runter durchgenommen, bis man es nicht hören kann? Die Schule hat mich empfindlich gemacht gegenüber allen politischen Vorgängen, die an die Machtergreifung der Nazis erinnern. Und da drücken die Vorgänge in der Türkei so gut wie alle Knöpfe, bis hin zu Parallelen in der Dankbarkeit für deutsche Autobahnen. Ein wesentlicher Teil der deutschen Identität ist für mich die Verantwortung ,alles zu tun, damit sich das Dritte Reich nicht wiederholen kann. Damit haben jene, die diese Zeit als Vogelschiss bezeichnen oder Erdogan unterstützen im Deutsch-Sein noch viel Platz nach oben. Ulrich Grannemann per Mail In der letzten Zeit mehren sich die vorwurfsvollen Stimmen, warum hier lebende Türken die Vorzüge der deutschen Demokratie genießen und dennoch in ihrer Heimat einen Diktator wählen würden. Wir sollten unseren eigenen Anteil an diesem Verhalten bedenken. Die deutschen wirtschaftlichen, kulturellen, technischen und manchmal auch sportlichen Erfolge haben Verhaltensweisen zur Folge, die rechte Politiker als Nationalstolz, Außenstehende hingegen als Überheblichkeit, wenn nicht sogar Arroganz empfinden. Würden wir den bei uns lebenden Türken den ihnen gebührenden Respekt und Anerkennung zollen, sie mehr auf Augenhöhe behandeln, würden wir dem Treiben Erdogans den Nährboden entziehen. Dass dies flächendeckend gelingt, wage ich allerdings angesichts der Überlegenheitsgefühle vieler Deutscher zu bezweifeln. Matthias Holländer Korschenbroich