Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Kohl und Gorbatschow: Politik in Strickjacke
Die Atmosphäre soll herzlich gewesen sein, beinahe familiär. Bundeskanzler Helmut Kohl schwärmte später von den Verhandlungen mit Michail Gorbatschow. Einen „Höhepunkt in der Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen“nannte er das Treffen im Kaukasus, auf dem über die Zukunft des wiedervereinigten Deutschlands diskutiert wurde. Tatsächlich gingen Bilder um die Welt, wie man sie von einem solchen Gipfeltreffen eher selten gesehen hatte. Gorbatschow hatte Kohl kurz nach der Ankunft auf einen Spaziergang eingeladen.„Keiner von uns hatte Lust, über große Politik zu reden“, gab der Bundeskanzler später zu Protokoll. Und so habe man „über Gott und dieWelt“gesprochen. Die Bilder zeigen Kohl in Strickjacke, Gorbatschow im blauen Pullover Dabei ging es bei dem Treffen durchaus um große Politik. Verhandelt werden sollte der letzte große Streitpunkt zur Wiedervereinigung: Die Frage nach der Nato-Zugehörigkeit Deutschlands. Gorbatschow hatte seine Entscheidung dazu wohl schon vor dem Treffen getroffen. Und so verkündeten die Staatschefs am 16. Juli 1990 eine Sensation: Deutschland solle mit der vollzogenen Wiedervereinigung vollständige Souveränität erhalten, russische Truppen aus dem Osten würden abziehen. Und Deutschland dürfe selbst entscheiden, welchem Verteidigungsbündnis sie angehören wolle. Das „Wunder vom Kaukasus“war – aus deutscher Sicht – perfekt.