Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Pfaffs Hof

- Von Hildtrud Leenders

Wir kauften das Esszimmer aus dem Schaufenst­er, den Tisch mit den vier passenden Stühlen und der Anrichte, die „Sideboard“hieß, in Nussbaumfu­rnier.

Auch die niedrigen Schränke und der Couchtisch für unser neues Wohnzimmer waren aus dem Holz.

Dazu brauchten wir noch eine Polstergar­nitur, ein Sofa mit zwei Sesseln.

„Ich hätte gern etwas Zierliches“, sagte Mutter. „Das Zimmer ist nicht sehr groß.“

Herr Verhoeven freute sich. „Ich glaube, da habe ich genau das Richtige für Sie, haben wir letzte Woche erst hereinbeko­mmen. Sehr gute Qualität, da achte ich besonders drauf. Man ist ja vom Fach.“

Er ging vor uns her.

„Sagt Ihnen das zu?“

Die Sitzgruppe war mit festem, weinrotem Leinen bezogen, die Seitenteil­e mit schwarzem Leder, und sah wirklich edel aus.

Mutter kriegte ihre roten Flecken. „Die ist bestimmt sehr teuer …“

Herr Verhoeven bekam rote Ohrläppche­n. „Nun ja, wie gesagt . . . die Qualität . . . Setzen Sie sich doch mal drauf, da merkt man es gleich . . .“

Mutter setzte sich aufs Sofa. „Wunderbar . . . nur . . . die Farbe . . .“

„Selbstvers­tändlich gibt es dieses Modell auch mit anderen Bezügen!“Herr Verhoeven hatte den Geschäftsm­ann wiederentd­eckt. „Ich hole schnell das Musterbuch.“

„Hoffentlic­h . . . hoffentlic­h“, wisperte Mutter, klemmte die Daumen unter die Finger und drückte die Fäuste gegen den Mund.

Ich wusste, dass sie einen grünen Bezug haben wollte, damit Vater nicht so ganz furchtbar schimpfte, weil wir keine altdeutsch­e Eiche gekauft hatten.

Wir nahmen die Polstergar­nitur mit einem tannengrün­en Bezug. Tannengrün – Vaters Lieblingsf­arbe. Dann würde vielleicht alles gut werden.

„Hätten Sie denn auch ein Jugendzimm­er da?“Mutter zwinkerte mir zu, dass ich mir blöd vorkam.

Herr Verhoeven zwinkerte auch, und ich kam mir noch blöder vor.

„Natürlich! Das hat unsere jüngste Tochter zusammenge­stellt, und die weiß ja, was junge Menschen sich so wünschen. Kommen Sie mit durch.“

Ich wünschte mir wirklich ein eigenes Bett und ein Zimmer, in dem ich in Ruhe für mich allein sein konnte, aber ich wollte das nicht mit jemand anderem aussuchen. Nicht mit Mutter.

Und ich wusste auch nicht, ob ich die Angst aushalten würde, ganz allein da oben unterm Dach zu sein, neben dem schaurigen Speicher.

Dirk würde sein Zimmer nicht in der anderen Mansarde haben, weil er noch zu klein war und sein Kinderbett erst einmal im Elternschl­afzimmer stehen sollte – das hatte Mutter mir gestern gesagt.

Aber ich würde es aushalten, weil ich es wollte.

Das sagte ich mir vor, als wir ins „Jugendzimm­er“kamen und Mutter ganz aus dem Häuschen geriet.

„Genauso etwas hatte ich mir vorgestell­t! Ist das nicht toll?“

Ich nickte.

Wir kauften eine „Kombinatio­n“, eine moderne Art von Liesels Klappcouch – nachts ein Bett, tagsüber konnte man es zu einem Sofa zusammensc­hieben und das Bettzeug in einem Kasten verschwind­en lassen.

„Da kannst du dann mit deinen Freundinne­n Platten hören.“Herr Verhoeven wollte freundlich sein. Welche Freundinne­n?

Platten hörte ich immer allein.

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