Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Von der Straße in die Wohnung
Viele Hausbesitzer haben Vorbehalte dagegen, an Obdachlose zu vermieten. In der Praxis gibt es aber so gut wie keine Probleme.
Das Leben auf der Straße ist nie einfach, aber wenn es kalt wird, wird jede Nacht für die Düsseldorfer Obdachlosen zu einer Herausforderung. Doch der Weg zurück in eine eigene Wohnung ist oft schwierig – trotz diverser Hilfsangebote.
„Auf dem Düsseldorfer Wohnungsmarkt gibt es eine sehr geringe Fluktuation, und wenn Wohnungen frei werden, sind sie meist groß und teuer“, sagt Hubert Ostendorf, Gründer und leitender Redakteur des Straßenmagazins Fifty Fifty. Und selbst wenn man es schaffe, Menschen von der Straße in ein Mietverhältnis zu bringen, gebe es den so genannten Drehtüreffekt: „Die Menschen wohnen zunächst betreut, dann alleine, kommen damit aber nicht zurecht und landen wieder auf der Straße“, erklärt Ostendorf. Deswegen verfolgt die Düsseldorfer Obdachlosenhilfe seit einigen Jahren einen neuen Ansatz: Housing First heißt das Konzept aus den USA, bei dem als erste Maßnahme eine eigene Wohnung zur Verfügung gestellt wird. Die weitere Betreuung kann dann mit der Gewissheit erfolgen, dass der Mensch die Nacht nicht im Freien verbringen muss. „Wir konnten in den letzten Jahren über 50 Menschen mit diesem Konzept eine Wohnung verschaffen und alle wohnen heute noch dort“, sagt Ostendorf stolz.
Das Problem, vor dem Ostendorf und die Hilfsorganisationen stehen, ist, geeignete Wohnungen zu finden. Die Unterbringung soll in ganz normalen Häusern sein, so dass die Nachbarn gar nicht wissen, dass der Neue von der Straße kommt. „In Düsseldorf leben etwa 500 Menschen auf der Straße, wir bräuchten mindestens 300 Wohneinheiten, um das Problem Wohnungslosigkeit zu lösen“, rechnet Ostendorf vor. Dieses Ziel scheint jedoch fern, auch, weil Hausbesitzer Hemmungen haben, an ehemalige Obdachlose zu vermieten. Deswegen hat Fifty Fifty Wohnungen gekauft, um sie an die Menschen von der Straße zu vermieten. „Die Hausbesitzer lehnen unsere Leute oft grundsätzlich ab“, sagt Ostendorf traurig.
Am Geld liegt das nicht: Ehemalige Obdachlose bekommen die Miete vom Jobcenter bezahlt. Viel eher sind es Vorbehalte gegenüber Menschen, die Jahre ihres Lebens auf der Straße verbracht haben. Johann Fliescher, Vorsitzender des Vermieterverbandes Haus und Grund in Düsseldorf, kann diese Bedenken verstehen: „Es ist ganz normal, wenn man befürchtet, ein ehemaliger Obdachloser könne die Wohnung schlecht behandeln oder seine Termine beim Amt versäumen, so dass er keine Miete mehr kriegt“. Solche Fälle seien in der Vergangenheit bereits vorgekommen, allerdings nicht bei Menschen, bei denen
die Betreuung nach dem Prinzip von Housing First geschehen sein, gibt Fliescher Ostendorf Recht.
„Es stecken ja persönliche Probleme und Schicksale hinter der Obdachlosigkeit, die sich nicht durch eine Wohnung lösen lassen. Deswegen ist es wichtig, die Menschen auch wenn sie ein Dach über dem Kopf haben, weiter zu betreuen“, sagt Fliescher. Daher findet er das Konzept Housing First gut. Was es nun brauche, sei ein Gesinnungswandel in den Köpfen der Vermieter. „Es gibt genug positive Beispiele, so dass jeder Hauseigentümer hinterfragen sollte, wie er zu ehemals obdachlosen Mietern steht.“
Eine Alternative, sagt Hubert Ostendorf, wäre es, wenn die Stadt Obdachlose mehr berücksichtigen würde. „In jedem Neubau gibt es 30 Prozent Sozialwohnungen, aber die helfen Geringverdienern, nicht den Ärmsten der Armen“, sagt er. Gemeinsam mit der Diakonie hat Fifty Fifty deshalb an die Stadt geschrieben und fordert, einen Teil der Sozialwohnungen für Menschen mit Lebensmittelpunkt Straße zu reservieren.
Das lehnen die Verantwortlichen jedoch ab. Miriam Koch, Leiterin des Amtes für Migration und Integration, ist zwar ebenfalls der Meinung, dass bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden müsse, sagt jedoch, eine Reservierung für bestimmte Gruppen sei nicht förderlich. Sie sieht trotzdem Handlungsbedarf: „Der Wohnungsmarkt in Düsseldorf ist sehr angespannt, und Obdachlose unterzubringen, ist ein Baustein unserer Strategie.“Sie verweist auf städtische Projekte wie das Haus an der Heyestraße, eine ehemalige Flüchtlingsunterkunft, in der nun Obdachlose leben. Hier gebe es zwar oft die Kritik an der gebündelten Unterbringung, aber: „Auch wenn in dem Objekt nur ehemalige Wohnungslose leben, ist es dennoch in den Stadtteil integriert“, so Koch. „20 Wohnungen machen noch kein Ghetto.“