Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Vertuschter Kindesmissbrauch
Adelaide: Berufungsgericht hebt Schuldspruch gegen ehemaligen Erzbischof auf.
ADELAIDE Die Stimmung im Gerichtssaal war nach dem Freispruch des früheren Erzbischofs Philip Wilson emotional. Zu zwölf Monaten Hausarrest war dieser verurteilt worden, weil er Kindesmissbrauch vertuscht haben soll. Nach nur vier Monaten kommt der Geistliche nun frei. „Bullshit, das ist eine Schande“, rief einer der Zuschauer im Saal. Der australische Berufungsrichter argumentierte dagegen, dass Wilson sich als „ehrlicher und beständiger Zeuge“präsentiert habe und er berechtigte Zweifel hege, dass der Geistliche über den Missbrauch Bescheid gewusst habe.
Wilson habe nicht versucht, „den Namen von Peter Creigh zu diskreditieren“oder habe versucht, ihn als „Lügner“darzustellen. „Er war eindeutig ein intelligenter und artikulierter Zeuge“, sagte der Berufungsrichter Roy Ellis. Der Australier Peter Creigh war als Kind in den 1970er Jahren wiederholt von dem pädophilen Priester James Fletcher missbraucht worden und hatte nach seinen Aussagen Wilson vergeblich um Hilfe gebeten.
Er hatte vor der ursprünglichen Urteilsverkündung noch gesagt, er wolle Wilson eingesperrt sehen, um eine Botschaft an religiöse Führer zu senden, dass institutionelle Vertuschungen nicht mehr toleriert werden. Creigh selbst war nach dem Freispruch von Wilson laut lokaler Medienberichte zu emotional, um kommentieren zu können.
Wilson war der ranghöchste Kirchenbeamte gewesen, der jemals zur Rechenschaft gezogen worden war. Nachdem er im Mai zunächst schuldig gesprochen worden war, kam er bei der Urteilsverkündung im Juli mit zwölf Monaten Hausarrest dann relativ milde davon. Die maximale Strafe für die Vertuschung von Kindesmissbrauch beträgt in Australien zwei Jahre Gefängnis.
Doch das Gericht entschied sich damals wegen des Alters und Gesundheitszustands des Geistlichen für Hausarrest als Strafe. Wilson blieb zunächst auch als Erzbischof im Amt, trat aber später nach Protest aus der Gesellschaft doch noch von seinem Amt zurück. Das Berufungsgericht hob nun die verbleibende Strafe nach dem Freispruch auf. Wilson hatte bisher vier Monate im Haus seiner Schwester verbracht. Er musste am Donnerstag nicht persönlich im Gericht erscheinen, sondern wurde über Videolink dazu geschaltet, um ihm den Auflauf an Pressevertretern zu ersparen.
Die katholische Kirche steht in Australien seit Jahren in der Kritik. Zahlen von Missbrauchsfällen, die im Februar 2017 von einer Untersuchungskommission der australischen Regierung veröffentlicht wurden, berichteten von 4444 Menschen, die als Kinder zwischen 1950 und 2010 von katholischen Priestern missbraucht worden sein sollen.
Wilson ist nicht der einzige ranghohe Geistliche vor Gericht: Kardinal George Pell, ein Vertrauter des Papstes, muss sich ebenfalls wegen historischen Kindesmissbrauchs vor einem australischen Gericht verantworten. Der Finanzchef des Vatikans streitet die Anschuldigungen vehement ab und plädierte Anfang Mai auf nicht schuldig.