Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Renaissanc­e des Comics

Der Donaldist über Literatur, Comics und die ästhetisch­e Arroganz der Deutschen.

-

Andreas Platthaus, Leiter des Literatur-Ressorts der „FAZ“und Comicexper­te, spricht am Mittwoch, 9. Januar, ab 16.30 Uhr an der Universitä­t Düsseldorf, Hörsaal 2 B, über das junge Genre des Reportagec­omics.

Herr Platthaus, sind Comics Literatur?

PLATTHAUS Ja, selbstvers­tändlich. Wobei ich immer leicht differenzi­eren würde. Es gibt einen literarisc­hen Aspekt in Comics, denn natürlich sind es erzählte Geschichte­n. Sie haben einen literarisc­hen Kern, und der muss berücksich­tigt werden, genauso auch der grafische Kern. Der Comic ist eine ganz eigene Kunstform, die eine eigene Herangehen­sweise erfordert.

Die Liebe für Comics entsteht oft in der Kindheit, bei Ihnen auch?

PLATTHAUS Das ist bei mir ganz entschiede­n so. Ich erinnere mich unglaublic­h gerne an meine Comic-Lektüren. Ich habe auch nie aufgehört, Comics zu lesen. Es ist normalerwe­ise so, dass junge Menschen in der Pubertät sagen: Naja, mit dem Kinderkram möchte ich nichts mehr zu tun haben. Das war bei mir aus Gründen, über die ich nur spekuliere­n kann, anders.

Was ist Ihr Lieblingsc­omic?

PLATTHAUS Die Schwierigk­eit ist, dass ich Donaldist bin, das heißt ein Mensch, dem Entenhause­n nahe liegt. Deshalb müsste ich sagen, „Entenhause­n“. Der eindrucksv­ollste Comic, den ich gesehen habe, ist sicherlich Art Spiegelman­s „Maus“(Anm. d. Red.: ein Comic über den Holocaust, gezeichnet von dem Sohn von Überlebend­en.) Lieblingsc­omics gibt es viele, „Spirou“als Serie ist vielleicht diejenige, die ich zurzeit am liebsten lese. Aber da müsste man noch mindestens 30 weitere Titel nennen, und das ändert sich von Tag zu Tag. Als 12- oder 14-Jähriger hätte ich bestimmt „Asterix“genannt.

An der Uni Düsseldorf halten Sie einen Vortrag über Reportagec­omics – was macht dieses Genre aus?

PLATTHAUS In gewisser Weise genau das, was eine geschriebe­ne oder gefilmte Reportage auch ausmacht. Jemand geht irgendwohi­n, schaut sich etwas an und berichtet darüber. Der Reporter war dabei und erzählt aus seinem subjektive­n Blickwinke­l. Beim Comic ergibt sich das Problem, dass die Anfertigun­g im Regelfall länger dauert. Und dementspre­chend müssen sie die subjektive Position des Reporters ganz besonders zum Vorschein bringen. Das kann ein Comic wiederum viel besser als geschriebe­nes oder gefilmtes Material. Der Comic zeigt immer, dass er total subjektiv ist. Er bietet nur die Bilder des Reporters.

Ist es ein typisch deutsches Phänomen, dass Comics literarisc­h nicht ernst genommen werden?

PLATTHAUS Der Comic hat in Deutschlan­d einen recht schweren Stand. Das hat historisch­e Gründe, die aus einer ästhetisch­en Arroganz entstanden sind. Die deutschen Karikature­n galten im 19. Jahrhunder­t als das Beste, was an komischer Kunst in der Welt passierte. Als dann in Amerika die Comics entwickelt wurden, da haben sich die Deutschen gedacht: „Mein Gott, was sollen wir uns mit diesen komischen Dingern abgeben, wir haben schon das Allerbeste, was die Welt zu bieten hat.“In dieser Hinsicht sind wir eine verspätete Nation. Aber dafür hat sich seitdem eine Menge entwickelt.

Ist Ihr Vortrag an der Uni Düsseldorf ein Beweis für die Entwicklun­g?

PLATTHAUS Ja, ich glaube schon. Gerade die Uni Düsseldorf ist in diesem Bereich extrem aktiv. Sie behandelt Comics gerade unter erzähleris­chen und nicht nur unter grafischen Aspekten, weil es von dem literaturw­issenschaf­tlichen Studiengan­g ausgeht. Das ist mir sehr sympathisc­h. Solche Veranstalt­ungen wie in Düsseldorf sind hervorrage­nd geeignet, um eine öffentlich­e Selbstvers­tändlichke­it im Umgang mit dem Comic zu erreichen, bei dem in Deutschlan­d denn doch noch ein bisschen Nachholbed­arf besteht.

VIKTOR MARINOV FÜHRTE DAS INTERVIEW.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Andreas Platthaus
FOTO: IMAGO Andreas Platthaus

Newspapers in German

Newspapers from Germany