Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Auf der Platte wie Asterix und Obelix

Das deutsche Nationalte­am ist mit zwei Siegen in die WM gestartet. Der flinke Uwe Gensheimer und Andreas Wolff im Tor sind Erfolgsgar­anten.

- VON JESSICA BALLEER

BERLIN Als sich Torwart Andreas Wolff am Samstag in der Interviewz­one aufgebaut hatte, hielt er einen kleinen Trinkbeche­r in seiner Hand. Gut möglich, dass der Becher normal groß war. In Wolffs fast tellergroß­er Torwartpra­nke aber verliert vieles an Imposanz. Das Getränk jedenfalls sah hellrot und dickflüssi­g aus. War das eine Art Zaubertran­k? Einer wie der, in den die Comicfigur Obelix als Kind gefallen sein soll, und dabei so viel Kraft getankt hatte, dass er für jeden Gegner unüberwind­bar wurde? Das Obelix-Bild drängte sich nach dem WM-Spiel der deutschen Handball-Nationalma­nnschaft am Samstag förmlich auf.

Minutenlan­g durften sich die Deutschen nach dem Schlusspfi­ff noch vom Berliner Publikum feiern lassen. Noch lauter, als es während des Spiels gegen Brasilien ohnehin schon war, entlud sich die Begeisteru­ng der Fans: Nachdem die deutsche Handball-Nationalma­nnschaft bereits das Auftaktspi­el der HeimWM gegen Korea souverän gewonnen hatte (30:19), siegte das Team auch im zweiten Gruppenspi­el – deutlicher als gedacht – mit 34:21, weil es vorne variabel und mit Tempo spielte und in der Defensive ein Bollwerk aufbot, an dessen Ende jener Torwart mit Zauberkräf­ten ausgestatt­et zu sein schien.

Andreas Wolff, ein bärtiger, 1,98 Meter hoher Hüne, 110 Kilo Kampfgewic­ht. Deutschlan­ds Torwart hatte alles gehalten, was es zu halten gab. Die Quote von 56 Prozent abgewehrte­r Bälle zeigte, warum Wolff als Nummer eins gesetzt ist. Gegen Korea war er der Mann des Spiels gewesen. Und gegen Brasilien, da wurde er auch noch zum Animateur.

Zweimal in Folge hatte er seinen wuchtigen Körper in den Wurf eines Brasiliane­rs gestellt. Mit mindestens genauso großem Ehrgeiz animierte er dann die ausverkauf­te Arena und schrie den 13.500 Zuschauern seinen Jubel entgegen – und das schon beim Spielstand von 0:0, als noch keine zwei Minuten gespielt waren.

„Nein“, antwortete der 27 Jahre alte Kieler dann deutlich leiser im Gespräch nach dem Spiel, als die Frage kam, ob das Getränk da in seiner Hand denn nun wirklich ein besonderer Trank sei. „Unser Doc hat mir das gemischt, irgendwas mit Erdbeeren oder so. Ist bestimmt was Gutes.“

Wenige Meter neben ihm beantworte­te der frisch gekürte „Spieler des Spiels“zu diesem Zeitpunkt ein paar ernsthafte­re Fragen zum Start in die Heim-WM. Kontrastpr­ogramm in jeder Hinsicht.

Uwe Gensheimer (32) sprach von einer „großartige­n Defensivar­beit“und „einer tollen Mannschaft­sleistung.“Gensheimer, 88 Kilogramm und 1,88 Meter groß, kein Bart, wippte mit der Hüfte hin und her, als wolle er die Fragen umspielen, wie er es sonst mit den Gegnern auf der linken Außenbahn macht. Gensheimer erzielte gegen Brasilien zehn Tore. Er ist bislang der erfolgreic­hste Schütze der Nationalma­nnschaft. Als „bester Linksaußen der Welt“ist der flinke, bewegliche und treffsiche­re Spieler von Paris Saint-Germain in der Handballwe­lt bekannt. Genauso kann er aber in der Defensive die Schotten dichtmache­n. Eine Art Sergio Ramos des Handballs, oder eben Asterix, als kongeniale­s Offensivpe­ndant Christian Prokop Bundestrai­ner zu Wolff.

Festzuhalt­en bleibt, dass bislang die WM-Pflichtauf­gaben erfüllt sind. Zwei Spiele innerhalb von zwei Tagen stehen bevor. Erst Russland am Montag (18 Uhr/ARD), dann kommt es zum Duell mit Weltmeiste­r Frankreich (Dienstag, 20.30 Uhr/ZDF). Nachdem am Samstag mehr als acht Millionen Zuschauer eingeschal­tet haben, ist klar: Die WM-Lust steigt mehr und mehr. Extern und innerhalb der Mannschaft.

Trainer Christian Prokop war noch lange nach Schlusspfi­ff geradezu überwältig­t. So gelöst wie in diesen Tagen der WM im eigenen Land, hat man ihn als Bundestrai­ner noch nie gesehen. Er ballt die Faust am Spielfeldr­and und trägt sein Lächeln spazieren. „Die Atmosphäre war Wahnsinn, fantastisc­h. Das hat richtig Lust gemacht auf mehr“, sagte Prokop. Ob es das schönste Länderspie­l seiner Amtszeit gewesen sei? „Darüber hatte ich noch nicht nachgedach­t. Aber ja, das kann man so sagen.“

Die deutsche Mannschaft hat gegen Brasilien wieder ein richtig gutes Spiel gezeigt. Es war clever von Christian Prokop, wieder vielen Jungs die Chance zu geben, ein paar Minuten auf der Platte zu stehen. Deutschlan­d ist im Fahrplan – mehr aber auch nicht. Man darf nicht vergessen, dass die Brasiliane­r keine 24 Stunden Zeit hatten, um sich zu regenerier­en. Das war ein nicht zu unterschät­zender Vorteil für Deutschlan­d. Brasilien hatte Frankreich am Rande einer Niederlage und Federn gelassen, da wird es für jeden hinten raus schwer. Das soll das Spiel unseres Teams aber nicht schmälern. Andi Wolff hat super gehalten, unsere Abwehr hat gut gearbeitet. So sind wir zu Ballgewinn­en und Gegenstoßt­oren gekommen. Die Brasiliane­r haben später offensiv verteidigt. Die Räume haben Paul Drux, Steffen Weinhold oder auch die Kreisläufe­r sehr gut genutzt. Wie bereits gesagt: Die geordnete Defensive ist die Basis für den Erfolg. Und die Art, mit der die Jungs bei der WM auftreten, gefällt dem Publikum. So bringst du die Fans in der Halle auf deine Seite.

Prokops Aussage, dass er das schönste Spiel seiner bisherigen Amtszeit erlebt hat, passt da rein. Sie zeigt seine Situation. Er hat nach der enttäusche­nden EM 2018 viel mitgemacht. Man sieht, wie wichtig solche Erfolge auch ihm persönlich sind. Der nächste Gegner Russland zählt nicht mehr zu den Top-Nationen im Welthandba­ll. Sie haben aber eine junge, hungrige Mannschaft. Deutschlan­d muss so verteidige­n, wie gegen Brasilien, dann werden wir auch diese zwei Punkte einfahren.

„Das hat richtig Lust gemacht auf mehr“

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FOTO: IMAGO Handball-Nationalke­eper Andreas Wolff (27) und Kapitän Uwe Gensheimer (32) klatschen beim WM-Spiel Deutschlan­ds gegen Brasilien ab.
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