Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

München leuchtet

Ein Besuch der Museen in der bayerische­n Landeshaup­tstadt lohnt sich. Ein Rundgang durch die neuen Ausstellun­gen der süddeutsch­en Metropole.

- VON FRANK DIETSCHREI­T

der Moderne: „Die Irrfahrten des Meese“zeigt einen Künstler, der sich gern als moderner Odysseus stilisiert und als Erlöser und Befreier auftritt. Seit er wegen eines ausgestrec­kten Arms und vermeintli­chen Hitler-Grußes unter Nazi-Verdacht geriet und die Bayreuther Festspiele ihm den Stuhl vor die Tür setzten, war es um den spätpubert­ären Künstler recht still geworden. Jetzt darf er sich wieder laut austoben, bizarre Spielzeuge vorzeigen und in einem Endlos-Video den tanzenden Berserker geben. Auf einem mit Strichmänn­chen, Pfeilen und Polit-Phrasen vollgepins­elten Bild porträtier­t er sich sogar als „Kunstbenge­l“.

Bevor einem die Kunst das Hirn vernebelt, empfiehlt sich ein Abstecher zum Haus der Kunst und der Besuch einer Ausstellun­g, die man nicht versäumen sollte: „Für alle Lieben in der Welt“versammelt 200 Werke von Jörg Immendorff. Die Schau schreitet durch Leben und Werk des an ALS erkrankten und 2007 gestorbene­n Künstlers, der zuletzt nur noch mit Unterstütz­ung von Assistente­n, die seine Bilder nach seinen exakten Vorgaben ausführen mussten, malen konnte.

Wir erleben Immendorff noch einmal als politische­n Agitator und sensiblen Beobachter der Zeitläufte, als harten Kerl mit welchem Kern und Grenzgänge­r zwischen Ost und West. Am Eingang begrüßt uns die Skulptur eines wild gestikulie­renden Joseph Beuys, der einen kleinen lustigen Affen spazieren führt: eine liebevoll-ironische Hommage von Immendorff an seinen Düsseldorf­er Kunst-Lehrer, mit dem er manchen Streit ausgefocht­en hat.

Höchste Zeit für eine Erfrischun­g in der Goldenen Bar: sie ist Kult und mehr als nur einfach ein Café im Haus der Kunst. Mit ihrem morbiden Charme, ihrem fleckigen Mobiliar und ihrer kleinen, aber feinen Karte an Speisen und Getränken ist sie zum Szene-Treffpunkt geworden. Auch nachts. Denn da kann man die Goldene Bar, wenn im Museum längst nächtliche Stille herrscht, über einen Seiteneing­ang betreten.

Schon Thomas Mann schaute in seiner Novelle „Gladius Dei“auf die Kunstwelt seiner hass-geliebten Wahlheimat und schrieb: „München leuchtete.“Das gilt heute immer noch.

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FOTO: PARIS, MUSÉE ARTS DÉCORATIFS, MUSÉE DES ARTS DÉCORATIFS „Verlobung von Jason und Medea“(1487) von Biagio d’Antonio – zu sehen in der Alten Pinakothek in München.

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