Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Eine Portalpraxis für die Uniklinik?
Der neue Ärztliche Direktor der Universitätsklinik spricht über die Idee, die Notfallambulanz durch eine Kooperation mit niedergelassenen Ärzten zu entlasten, und den langen Streik.
Sie waren schon einmal in Düsseldorf tätig, dann länger weg. Haben Sie alles noch wiedererkannt?
Frank Schneider Ich bin acht Jahre als Professor hier an der Universität und in Grafenberg am LVR-Klinikum tätig gewesen, danach 15 Jahre lang an der Uniklinik Aachen. Wir waren privat aber weiterhin auf Düsseldorf zentriert, gehen hier in die Oper. Die Stadt kenne ich also gut. Sie hat sich natürlich enorm zum Positiven verändert, besitzt ja auch das Geld dafür – so schön wie Aachen ist sie vielleicht noch nicht, aber eben auch nicht so alt.
Und die Uniklinik?
Schneider Es ist ein toller Standort, aber vielen hier fehlt offenbar das Selbstbewusstsein, das Glas wird eher als halb leer angesehen. Dass viele Sachen hier an der Uniklinik richtig gut sind, kann ich mit dem Außenblick des Neuen jetzt besser sehen als viele, die schon länger hier sind.
Dann betrachten wir das Glas doch als halb voll. Was ist denn alles toll?
Schneider In der Forschung beispielsweise die Kardiologie oder die Neurologie, wo die Tiefenhirnstimulation bei Patienten mit Bewegungsstörungen gemacht wird, denen man sonst nicht helfen könnte. In der Lehre gibt es einen Modellstudiengang, der eine tolle Chance für Medizinstudenten darstellt. Und die Patientenversorgung ist auch sehr viel besser als ihr Ruf – an dem muss man allerdings arbeiten. Ich würde als Patient jederzeit kommen!
Was muss man denn sonst noch verbessern?
Schneider In der Findungskommission, als es um meinen Wechsel nach Düsseldorf ging, habe ich gesagt: Wir brauchen eine Milliarde Euro über die nächsten zehn Jahre, weil viel der Bausubstanz mehr oder weniger marode, d. h. ungeeignet für moderne Spitzenmedizin ist. Kliniken müssen den kranken Menschen auch architektonisch in den Mittelpunkt stellen. Im MedMoP-Programm des Landes für Baumaßnahmen der Unikliniken sind leider nur wenige Neubauten wie die Hautklinik und die Augenklinik vorgesehen, die baulich desolat sind. Ein Zentralklinikum mit kurzen Wegen und State of the Art-IT ist dagegen noch nicht finanziert. Die Pläne haben wir aber in der Schublade.
Was brauchen Sie denn noch?
Schneider Viele Bauten sind auch nicht auf einem modernen Stand. Und die Wege auf dem Gelände sind zu lang – wir würden um das Zentrum für Operative Medizin II herum gerne zwei weitere große Zentren bauen. Nordrhein-Westfalen gibt aber für seine Unikliniken viel weniger aus als andere Bundesländer. Wir müssen also die Politik dazu bekommen, in die Gesundheit der Menschen und in die Forschung und Lehre zu investieren. Ich habe mir vorgenommen, zehn Jahre hier am Standort zu bleiben – bis dahin hätte ich gerne die Milliarde und würde sie auch verbauen. Ich würde gerne eine Vorzeige-Uniklinik aus dieser hier machen.
Welche Rolle spielt Profit in so einem Haus?
Schneider In der Satzung steht zunächst, dass die Klinik der Universität bei der Aufgabenerfüllung in Forschung und Lehre dient. Und wir haben als Maximalversorger einen Gesundheitsauftrag für die Bevölkerung, wir sind für die Schwerstkranken da. Die Krankenversorgung bekommen wir allerdings nach den gleichen Sätzen bezahlt wie jedes andere Krankenhaus – ein Zuschlag für universitäre Spitzenmedizin ist politisch nicht durchsetzbar. In 2018 werden wir nach dem Streik wohl ein zweistelliges Millionendefizit haben. Da wird gerade noch gerechnet.
Ihr Posten war lange Zeit vakant ... Schneider Es waren zehn Monate. Wir sind ein großes Unternehmen, da ist ein solcher Zeitraum durchaus normal. Und, im Vorstand bin ich ja nicht alleine, vier andere Vorstandsmitglieder waren ja da.
Dennoch fehlte lange der Vorstandsvorsitzende, während zudem noch der Streik tobte. Wie ist der Rückstau auf dem Schreibtisch?
Schneider Es ist natürlich nicht gut für einen Standort, wenn Dinge liegen bleiben. Während der akuten Streikphase im Sommer hat es keine langfristigen strategischen Entscheidungen geben können. Aber während des Streiks war es ohnehin nicht möglich, sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren als die Lösung dieses Konfliktes. Aber der Vorstand und die Mitarbeiter haben auch während des Streiks sehr gut gearbeitet.
Die Lösung ist inzwischen gefunden. Jetzt haben Sie aber das Problem, dass Sie die vereinbarten 140 neuen Pflegekräfte finden müssen. Schneider Zunächst: Ich finde diese Vereinbarung gut, denn als erstes bin ich Arzt. Dass hier, wie in allen Kliniken in Deutschland, mehr Personal sein muss, ist offensichtlich; und damit ist das Schlichtungsergebnis auch alles andere als eine Bürde für mich. Aber es stimmt natürlich, die Leute muss man erstmal finden. Düsseldorf ist eine Großstadt mit vielen Kliniken, und nicht alle bilden aus. Deshalb wollen wir auch eine Ausbildungsoffensive starten, noch mehr und besser ausbilden. Auch die Vereinbarung eines Konsequenzenmanagements war richtig – dass wir, wenn wir einmal nicht genug Personal haben, die Leistung auch nicht mehr anbieten. Das kann aber natürlich auch mal zu schwierigen Situationen führen, wenn etwa unsere Notaufnahme wieder einmal voll ist.
Im vergangenen Jahr gab es eine große Debatte über die Notfallmedizin hier in der Stadt und die Frage einer zweiten Notfallpraxis. Schneider Ich stelle mir vor, dass wir zur Entlastung der Zentralen Notaufnahme und zur besseren Versorgung in Düsseldorf einen langen Tresen einrichten, wo niedergelassene Ärzte zusammen mit Ärzten des Klinikums bei uns tätig sind.
Also eine zweite Notfallpraxis bzw. eine Portalpraxis, wie sie der Gesetzgeber jetzt plant?
Wir könnten einer der ersten Standorte sein, an denen so etwas umgesetzt wird. Es geht ja darum, dass man den Patienten, die viel brauchen, das auch gibt. Und dass die anderen durch die niedergelassenen Kollegen behandelt werden, die für diese Beschwerden zuständig sind. Das muss man partnerschaftlich angehen, und wenn man es räumlich zusammenbringen könnte, wäre das gut. Manche Leute mit einer leichteren Erkrankung sagen sich heutzutage eben, sie haben sonst keine Zeit, sie gehen einfach nachts um 12 Uhr mal zur Uniklinik, da werden sie schon drankommen.
Der Tarifstreit hat enorm verhärtete Fronten zwischen Klinikleitung und Pflegepersonal offenbart. Wie entwickelt sich das?
Schneider Man hatte während des Streiks eine Zeit lang überhaupt nicht miteinander geredet, sich nicht verstanden. Ich war inzwischen auf allen Stationen und bin freundlich empfangen worden – nachdem anfangs alle misstrauisch waren und gefragt haben: Was für eine Schlange kommt da jetzt? Wir reden auf Augenhöhe und mit Respekt. Und bei den aktuellen Tarifgesprächen bei den Tochtergesellschaften geben wir die Pressemitteilungen ja sogar zusammen mit den Gewerkschaften heraus.
Wie wichtig sind diese Verhandlungen?
Schneider Die Frage, ob Menschen für ihre Tätigkeit adäquat entlohnt werden, ist immer essenziell. Das gilt für die Auszubildenden, die Pflegekräfte und alle anderen Mitarbeiter. Nur wenn jemand sich vernünftig behandelt und angemessen entlohnt fühlt, wird er seine Arbeit gut erledigen. Überhaupt ist das eines meiner Ziele: das Krankenhaus menschlicher zu machen.
Ist es für Sie als Psychiater eigentlich bedauerlich, dass die Uniklinik keine psychiatrische Klinik auf dem Campus hat?
Schneider Ich würde sagen, ich habe die Braut genommen, wie sie war. Allerdings hatte schon mein Vorgänger die Idee, hier auch eine Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik zu etablieren – und ich denke auch, dass wir sie brauchen können. Oftmals haben ja Patienten mit psychischen Erkrankungen auch körperliche Beschwerden, und bestimmte Erkrankungen sind genetisch an Depressionen gekoppelt. Es geht also um eine bessere interdisziplinäre Versorgung von Patienten und um Forschung, nicht darum, damit eine Konkurrenz zur LVR-Klinik aufzubauen. Es wäre auch denkbar, das zusammen anzugehen.
Vermissen Sie den Arztkittel schon?
Schneider Mein Job hier ist ja gar nicht so viel anders. Ich bin nicht mehr an der Front des Lebenrettens, aber ich darf zu diesem Prozess jetzt in einer hervorgehobenen Position beitragen. Eine wunderbare Aufgabe.
NICOLE LANGE STELLTE DIE FRAGEN.