Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Frankreichs Juden in Bedrängnis
Die Zahl der antisemitischen Straftaten steigt sprunghaft – nicht nur in Paris, auch in der Provinz. Zwar haben zuletzt Zehntausende Franzosen gegen den Hass demonstriert, aber viele Juden haben Angst. Und denken an Auswanderung.
PARIS habe man nicht, aber vorsichtig sei man geworden.
Auch das koschere Restaurant „Pitzman“, in dem Moïse Journo einen großen Teil seiner Tage verbringt, liegt im Marais. Der 70-Jährige ist in der jüdischen Gemeinde eine Institution. Jahrzehntelang betrieb er eine Galerie und das Philosophen-Café „Die Psalmen“, das zum intellektuellen Zentrum der jüdischen Gemeinde in dem Viertel gehörte. Als ihm die Stadt die Konzession entzog, eröffnete er ein neues Restaurant, wo er seinen Gästen weiter Rede und Antwort stand.
Sein Rat scheint gerade in schwierigen Zeiten sehr gefragt. Immer wieder kommen Leute vorbei, die etwas wissen wollen. Jeder wird von Journo herzlich begrüßt. Dann redet er mit großem Eifer, und wenn die Worte für eine Erklärung nicht reichen, zieht er einen Stift aus seiner Jacke und zeichnet auf dem Papiertischtuch vor sich in wilden Strichen die Gedanken auf. In seinen Erzählungen holt er gerne sehr weit aus, mäandert von der frühen Geschichte der zwölf Stämme Israels über das dunkle Mittelalter mit seiner brutalen Verfolgung der Juden in Frankreich bis in die Gegenwart mit ihrem aufkeimenden Antisemitismus.
„Zugegeben, als Jude ist es ist im Moment schwer zu leben in Frankreich“, räumt Moïse Journo ein. Aber man müsse sich das eben vorstellen wie eine Prüfung, die es für das jüdische Volk zu bestehen gelte. „Wir werden diese Prüfung bestehen“, ist Moïse Journo überzeugt, es sei nicht die erste, und es werde auch nicht die letzte sein.