Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Mutter, Mutter, Kind
Die Medizin ermöglicht bei der Erfüllung des Kinderwunsches mehr, und die Menschen organisieren das Leben mit Kindern vielfältiger. Deswegen soll das Abstammungsrecht reformiert werden. Was taugt der neue Entwurf?
Nach dem Willen der Koalition soll es für sogenannte Regenbogenfamilien mehr Rechtssicherheit zwischen Kind und Eltern geben. Das traditionelle Vater-Mutter-Kind-Modell möchte Justizministerin Katarina Barley (SPD) durch ein Mutter-Mitmutter-Kind-Verhältnis ergänzen. Doch funktioniert das Konzept? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Warum soll das Abstammungsrecht geändert werden?
Weil es zum Beispiel zur gleichgeschlechtlichen Ehe nicht mehr passt. Das musste die Ehefrau einer Mutter erfahren, die vom Automatismus des Bürgerlichen Gesetzbuches über die unterstellte Vaterschaft Gebrauch machen wollte. Nach Paragraf 1592 gilt derjenige als Vater eines Kindes, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist – und zwar ohne Prüfung, ob er auch tatsächlich der biologische Vater ist. Doch der Bundesgerichtshof wies die Klage der Ehefrau ab. Sie könne nicht analog als „weitere Mutter“eingetragen werden, weil im Gesetz nur „Vater“stehe. Bereits im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD darauf verständigt, das Abstammungsrecht anzupassen, weil die Reproduktionsmedizin zunehmende Möglichkeiten biete und sich die Gesellschaft verändere.
Was will die Justizministerin?
Für den Fall einer lesbischen Ehe, in der eine Frau unter ärztlicher Begleitung durch Samenspende schwanger wird, soll die Partnerin, die zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist, als Mitmutter eingetragen werden. Gelockert wird zudem die Vaterschaft und Mitmutterschaft bei scheiternden Ehen. Bislang ist automatisch derjenige Vater, der zum Zeitpunkt der Ehe noch juristischer Ehemann ist. Sind die Ehepartner zu diesem Zeitpunkt jedoch längst getrennt, kann künftig auch der neue Partner der Mutter Vater beziehungsweise die neue Partnerin Mitmutter werden.
Gibt es weitere Möglichkeiten für Wunscheltern?
Erklärt der Partner sein Einverständnis zu einer künstlichen Befruchtung der Frau mit dem Samen eines anderen Mannes, wird das als Beteiligung am Zustandekommen der Schwangerschaft gewertet und führt zu einer rechtlichen Vaterschaft auch bei nicht verheirateten Paaren. Allerdings ist das laut Entwurf auf die professionelle medizinische Begleitung beschränkt und mit der Voraussetzung verknüpft, dass der biologische Vater auf seine Rechte verzichtet. Alle anderen Fälle gelten als gewöhnliche Zeugung. Damit sind auch alle privaten Samenspenden nicht erfasst. Grünen-Rechtsexpertin Katja Keul kritisiert deshalb, der Entwurf greife zu kurz. Denn auch bei privaten und vertraulichen Samenspenden sei es „im Sinne des Kindeswohls, frühzeitig Rechtssicherheit über die Elternschaft zu schaffen“. Der Entwurf enthält den Umgang mit eingefrorenen Embryonen: Wenn Mutter und Vater zustimmen, können sie Wunscheltern gespendet werden.
Werden mit diesen Regeln die neuen Familienformen erfasst?
Nicht alle. Es haben sich längst Mehrelternfamilien gebildet, in denen sich etwa zwei schwule und zwei lesbische Paare auf die Erziehung von eigenen Kindern verständigen. Oder auch Beziehungen, in denen der biologische Vater in die lesbische Gemeinschaft integriert wird. Barley macht das Kindschaftsverhältnis immer bei der Mutter fest und beschränkt die Zahl möglicher Eltern auf zwei. „Es müssen endlich Regelungen für eine Mehr-Elternschaft her“, sagt Linken-Rechtsexperte Niema Movassat. Seit 2013 sei das in Kalifornien bereits der Fall. Deutschland brauche eine zeitgemäße Familienpolitik und nicht eine, die ins vergangene Jahrhundert gehöre.
Werden denn die Möglichkeiten der modernen Medizin erfasst?
Auch hier gibt es eine Lücke. Zwar ist in den Erläuterungen des Diskussionsentwurfes auch von Leihmüttern im Ausland die Rede. Barley ist dieser Aspekt