Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Bercow bringt May in die Bredouille
Der „Speaker“des Unterhauses macht der Premierministerin einen Strich durch die Rechnung und wird zur Hassfigur der Brexiteers.
LONDON Mit einer weiteren Abstimmung über Premierministerin Theresa Mays Brexit-Deal wird es diese Woche nichts. Als ob es nicht schon genug Wirren im Brexit-Chaos geben würde, hat der Sprecher des Unterhauses, John Bercow, die Sache noch einmal komplizierter gemacht. Bercow erklärte, dass die Premierministerin das Paket von Austrittsabkommen und politischer Absichtserklärung ohne „substanzielle Änderungen“nicht zum dritten Mal dem Unterhaus vorlegen kann. Jetzt überlegt die Regierung, wie sie Mays Deal noch retten kann.
Der Plan war, das Unterhaus vor dem EU-Gipfeltreffen am Donnerstag und Freitag noch einmal abstimmen zu lassen, um im Fall einer Annahme um eine kurze und im Fall einer Ablehnung um eine längere Fristverlängerung beim Gipfel zu bitten. Die britische Regierung hält jedoch weiterhin daran fest, es in der nächsten Woche noch einmal zu versuchen, wie Brexit-Minister Stephen Barclay der BBC sagte. Sollten sich genügend Abgeordnete finden, die Mays Deal unterstützen, argumentierte
Trump offen für Nato-Mitgliedschaft Brasiliens
WASHINGTON (rtr) US-Präsident Donald Trump zeigt sich offen für eine Nato-Mitgliedschaft Brasiliens. Er prüfe eine Aufnahme des lateinamerikanischen Staats in das Militärbündnis oder in eine andere Allianz, sagte Trump am Dienstag bei der Begrüßung seines brasilianischen Kollegen Jair Bolsonaro im Weißen Haus. Auch unterstütze er Brasiliens Antrag auf eine Mitgliedschaft in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Bolsonaro hatte kurz vor dem ersten Trump-Treffen dessen Einwanderungspolitik gelobt. Er sprach sich für den von Trump versprochenen Bau einer Mauer an der Grenze zwischen den USA und Mexiko aus. „Die überwiegende Mehrheit potenzieller Einwanderer hat keine guten Absichten“, sagte er laut der englischen Übersetzung eines Interviews des Senders Fox News. Er kündigte an, mit Trump über die Krise in Venezuela zu sprechen. Die Regierung von Präsident Nicolás Maduro sei eine „Drogen schmuggelnde Diktatur“. Bolsonaro ist seit Januar Präsident Brasiliens. Für seinen Wahlkampf und seine rechtsgerichtete Politik nahm er sich Trump zum Vorbild. Zu Fox sagte er, er hoffe auf eine blühende Freundschaft mit Trump. „Ich bin willens, ihm mein Herz zu öffnen und alles zu tun, was gut ist zum Vorteil des brasilianischen und des amerikanischen Volks.“ Barclay, würden sie „einen Weg finden“, um Bercows Entscheidung zu umgehen.
„Speaker“John Bercow wird zu einer immer bedeutenderen Figur im Brexit-Drama. Denn Bercow, der erste jüdische Sprecher des Unterhauses, füllt nicht nur eine zeremonielle Rolle aus. Auch wenn der 56-Jährige einerseits die skurrilen Traditionen des Parlaments verkörpert und zum Lokalkolorit beiträgt, wenn er so selbstverliebt wie sonor seine Rufe „Order! Order!“bellt und brüllt, so hat der Mann doch wirkliche Macht. Jetzt hat er ausgerechnet mit Hinweis auf die Tradition der Regierung ein Bein gestellt. Seit 1604 gelte die Konvention, dass innerhalb einer Sitzungsperiode das Parlament nicht erneut über einen Antrag zu entscheiden habe, den es zuvor angenommen oder abgelehnt hat. Kein Wunder, dass Regierungsmitglieder erbost sind über einen Parlamentspräsidenten, der Präzedenzfälle, so wie es ihm gefällt, mal so oder mal so auslegt. Dazu kommt, dass Bercow aus seiner Ablehnung des Brexit nie einen Hehl gemacht hat. Im Referendum hat er für den Verbleib in der EU gestimmt. Das macht ihn zur Hassfigur auf der Seite der Brexit-Hardliner.
Der „Daily Express“nannte Bercow „Brexit-Zerstörer“, die „Sun“wurde auf ihrer Titelseite ausfällig mit der Schlagzeile „Scheiß auf Bercow“. Das dürfte den Sohn eines rumänischstämmmigen Taxifahrers jedoch nur noch mehr antreiben. Kontroversen hat er immer genossen. Er wurde früh Mitglied der Konservativen Partei, arbeitete im Bankund dann im Lobby-Gewerbe, bevor er 1997 ins Unterhaus einzog. Politisch bewegte er sich von rechts außen bis nach Mitte-links, eine Reise, die 2002 gefördert wurde durch seine Heirat mit der Labour-Aktivistin Sally Illman. Als Bercow 2009 zum Speaker gewählt wurde, gelobte er, die Rechte der Legislative gegenüber der Exekutive zu stärken. Seine Kollegen in der Konservativen Partei legten das schnell so aus, dass er die Labour-Opposition gegenüber der Tory-Regierung bevorzugen würde. Tatsächlich geht es Bercow aber um die Balance der Macht: Wenn er denkt, dass sie zu sehr zugunsten der Regierung ausfällt, greift er ein.
Die Optionen, die May bleiben, sind begrenzt. Die EU hat bekräftigt, dass ein Wiederaufschnüren des Austrittsvertrages ausgeschlossen ist. Damit kann May nicht auf die von Bercow eingeklagten „substanziellen Änderungen“hoffen. Sie wird ihre 27 Amtskollegen um eine Fristverlängerung nach Artikel 50 bitten müssen. Die Entscheidung muss einstimmig fallen, und sollte es ein Veto geben, wäre die Gefahr eines No-Deal-Szenarios wieder aktuell.
Zur Zeit bearbeiten Unterhändler der Regierung die Vertreter der nordirischen DUP, deren Unterstützung des Brexit-Deals als kritisch dafür angesehen wird, dass auch eine Reihe von konservativen Deal-Gegnern umgestimmt werden können. Sollten genügend Abgeordnete zusammenkommen, gäbe es die Möglichkeit, Bercows Entscheidung auszuhebeln: Durch einfache Mehrheit ließe sich der Punkt der Geschäftsordnung ändern, dass Regierungsanträge nicht wiederholt in der gleichen Form gestellt werden dürfen. Damit wäre der Weg frei für eine dritte Abstimmung. Eine andere Möglichkeit wäre eine kurzfristige Aufhebung des Parlaments und der unmittelbare Beginn einer neuen Sitzungsperiode, in der dann der Deal wieder
eingebracht werden könnte. Ängstliche Seelen befürchten eine unkontrollierte Kettenreaktion auf Bercows Intervention. Doch radikalere Schritte wie der Rücktritt Mays, vorgezogene Neuwahlen oder gar ein zweites Referendum über den EU-Verbleib sind zwar möglich, aber unwahrscheinlich. Aber ausgeschlossen werden können sie auch nicht. Im Brexit-Chaos ist halt nicht abzusehen, was die nächste Woche bringt.