Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Mit der Bombe zum Buffet
Sri Lanka war zehn Jahre lang ein weitgehend friedliches Land. Die Anschläge an Ostern treffen die christliche Minderheit.
COLOMBO Die Zeiger der Kirchturmuhr von St. Antony’s standen auf Viertel vor neun. Die Zeit schien eingefroren zu sein am Ostersonntag, als der Selbstmordattentäter im Herzen Colombos den Sprengsatz zündete. Es war der Beginn einer Anschlagsserie auf Kirchen und Hotels in Sri Lanka, bei der knapp 300 Menschen ums Leben kamen und um die 500 verletzt wurden.
St. Antony’s, die katholische Kirche mit weißer Fassade, ist ein Wahrzeichen der sri-lankischen Hauptstadt Colombo. Ihr werden Wunder zugesprochen. Nicht nur Christen, auch Menschen anderer Religionen pilgern dort hin. Doch Ostersonntag blieb das Wunder aus. Dutzende Menschen, die hier zum Gottesdienst zusammenkamen, starben. „Ein Priester kam aus der Tür gelaufen, sein Gewand war voll von Blut“, berichtet ein Anwohner.
Nur ein paar Augenblicke später explodierte ein Sprengsatz in der St.-Sebastian-Kirche im malerischen Strandort von Negombo, 35 Kilometer nördlich der Hauptstadt. Überlebende schildern sri-lankischen Medien, sie hätten den Selbstmordattentäter in die Kirche kommen sehen. Er habe eine große Tasche getragen und sei erst zum Ende der Messe erschienen. Mehr als 1000 Gläubige hatten sich anlässlich des höchsten christlichen Feiertags eingefunden. Mindestens 102 von ihnen starben bei der schweren Detonation. „Blut und Fetzen von menschlichem Fleisch waren überall an den Wänden“, sagte Edmond Tillekeratne, der Sprecher der Erzdiözese Colombo. „Wir haben so etwas niemals erwartet“, sagte der Bischof JD Anthony. „Diese Kirche liegt in einer sehr ländlichen Gegend, daher dachten wir nie, dass so etwas passieren könnte“.
Doch es geschah noch mehr: In einem gut koordinierten Angriff verübten andere Selbstmordattentäter Anschläge auf drei Luxus-Hotels in Colombo: das Shangri-La, das Cinnamon Grand und das Kingsbury-Hotel. Im Cinnamon Grand reihte sich der Attentäter mit einem Teller in aller Ruhe in die Schlange vor dem Frühstücks-Buffet ein, bevor sein Sprengsatz zündete. „Es war das absolute Chaos“, beschrieb ein Hotelmanager die Szene. Im Osten der Tropeninsel wurde etwa zur gleichen Zeit die evangelikalen Kirche in Batticaloa von einem Selbstmordattentäter angegriffen. Mindestens 28 Menschen starben. Am Nachmittag folgten noch zwei weitere Explosionen in der Hauptstadt Colombo in einem Hotel und einem Privathaus mit mindestens fünf Toten.
Sri Lanka ist seit Ende des 25-jährigen Bürgerkriegs 2009 weitgehend friedlich gewesen. Die tamilische Separatistenorganisation „Tamil Tiger“gilt als besiegt und nicht mehr aktiv. Mehr als 70 Prozent der Einwohner der Tropeninsel sind buddhistisch, zwölf Prozent sind Hindus, zehn Prozent Muslime und gut sieben Prozent sind Christen. Während und nach dem Bürgerkrieg hatte sich besonders die christliche Gemeinschaft für Versöhnung und Frieden eingesetzt. Auch nach Ende des Bürgerkriegs 2009 organisierten die Kirchen Austausche zwischen tamilischen und singhalesischen Familien, um die Wunden des Kriegs zu heilen und die ethnische Spaltung des Landes zu überwinden. Nach den Attentaten am Sonntag werden Rufe laut, die Regierung habe zu wenig für den Schutz der religiösen Minderheit unternommen.
„Es ist ein sehr, sehr trauriger Tag für uns alle“, sagte der Erzbischof von Colombo, Malcolm Ranjith. Die Regierung bezeichnete die Attentate als eine „völlig neue Art von Terrorismus“und rief den Notstand aus. „Dies ist ein Schock und wir werden mit einer Schocktherapie antworten“, erklärte Sri Lankas Wohnungsund Kulturminister Sajith Premadasa am Montag vor der St. Antony’s Kirche in Colombo. Nach einem Jahrzehnt relativer Ruhe sei der Anschlag eine neue Form des Terrorismus, sagte Premadasa. Der Ausnahmezustand solle Polizei und Armee helfen, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten.
Gleichzeitig gab die Regierung auch Hinweise auf mögliche Urheber der Anschläge. Alle sieben Selbstmordattentäter seien Bürger von Sri Lanka gewesen, erklärte ein Sprecher des Regierungskabinetts. Er machte die örtliche islamistische Splittergruppe National Thowheeth Jamath (NTJ) als Drahtzieher der Anschläge verantwortlich. Die Organisation habe jedoch Hilfe eines internationalen Netzwerks gehabt. Um welches Terrornetzwerk es sich handelte, blieb unklar. Terrorexperten hatten schon früh den Verdacht geäußert, dass die Handschrift des Anschlages auf Verbindungen zum Islamischen Staat oder Al Kaida deuten könnten.
Die Separatistenorganisation Tamil Tiger, die über 25 Jahre lang gegen die Regierung kämpfte, hatte zumeist Regierungs- oder Militärziele angegriffen. Weder auf Hotels noch auf Kirchen hatte es während des Kriegs solch blutige Terrorattentate gegeben.
Die islamistische NJT in Sri Lanka ist eine kleine, radikale Gruppe, die offenbar nicht auf dem Radar der Sicherheitsbehörden war. Sie hat keinerlei Verbindungen zu der gleichnamigen Organisation in Südindien, die eine nicht-politische, muslimische Organisation ist. Offenbar hatten die Behörden vor Ostern Informationen über geplante Anschläge erhalten, sie jedoch nicht ernst genug genommen. Im Zusammenhang mit der Terrortat hat die Polizei bislang 24 Verdächtige festgenommen.
Es gibt Anzeichen dafür, dass Kämpfer des Islamischen Staates, die aus dem Mittleren Osten nach Sri Lanka zurückgekehrt sind, eine neue Gefahr für die Tropeninsel darstellen. Sri Lankas Regierung hatte 2016 die Zahl ihrer Bürger, die in Syrien für den IS kämpfen, mit 32 angegeben. Die bei Urlaubern beliebte Tropeninsel im Indischen Ozean war bislang jedoch von islamistischem Terror verschont geblieben.
Sri Lankas Regierung blockierte am Montag vorsorglich eine Reihe sozialer Netzwerke wie Facebook, Instagram und Whatsapp, um Gerüchte und Falschmeldungen zu stoppen. Am Morgen machten erneut Berichte die Runde, wonach das Trinkwasser vergiftet worden sei. Das energische Auftreten der Regierung signalisiert ein Umdenken im Umgang mit den amerikanischen Social-Media-Giganten. Statt darauf zu hoffen, dass die Konzerne selbst „Fake News“und Hass-Posts moderieren, verhängte Sri Lanka eine Sperre.
Facebook-Posts hatten in der Vergangenheit in Sri Lanka religiöse Gewalt provoziert. Im September 2017 musste eine Gruppe von muslimischen Rohingya-Flüchtlingen in Colombo in Sicherheit gebracht werden, nachdem eine wütende Menge von radikal-buddhistischen Mönchen das Haus, in dem die Flüchtlinge untergebracht waren, gestürmt hatte. Auf Facebook hatten die Aufwiegler verkündet, die Flüchtlinge seien Terroristen, die einen buddhistischen Mönch getötet hätten.