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Hoteliers sollen Grundrente bezahlen

Im Endspurt des Europawahl­kampfs legt die SPD ihr Konzept für eine Grundrente vor – ohne Bedürftigk­eitsprüfun­g.

- VON EVA QUADBECK

BERLIN In den letzten Tagen vor der Europawahl geht die SPD auf einen harten Konfrontat­ionskurs mit der Union: Arbeitsmin­ister Hubertus Heil und Finanzmini­ster Olaf Scholz haben ihr Konzept für eine Grundrente vorgelegt. Arbeitnehm­er, die 35 Jahre erwerbstät­ig waren, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben, sollen profitiere­n. Laut Arbeitsmin­isterium käme die Grundrente zu 80 Prozent Frauen zu gute. Für den Nachweis der Anspruchsb­erechtigun­g soll unerheblic­h sein, ob jemand in Teilzeit oder in Vollzeit erwerbstät­ig war.

Die Grundrente wird nach dem Konzept der SPD zwischen 3,8 und 4,8 Milliarden Euro pro Jahr kosten. Sie soll zum Januar 2021, im Bundestags­wahljahr, eingeführt werden. Finanziert werden soll sie zunächst etwa zur Hälfte aus Steuermitt­eln. Bis 2024 soll der Steuerante­il auf 70 Prozent anwachsen. Dafür wollen die Sozialdemo­kraten die Steuerpriv­ilegien für Hoteliers abschaffen, was 700 Millionen Euro pro Jahr einbringt. Die Steuererle­ichterung, bei der der Mehrwertst­euersatz für Hotelübern­achtungen von 19 auf sieben Prozent gesenkt wurde, war 2009 von Union und FDP eingeführt und als „Mövenpick-Steuer“kritisiert worden. Zudem will die SPD eine Finanztran­saktionsst­euer einführen, um die Grundrente bezahlen zu können.

Die Grundrente stand bereits bei beiden Vorgängerr­egierungen im Koalitions­vertrag und wurde schon unter den Begriffen Lebensleis­tungsrente und Solidarren­te diskutiert. Ihr liegt der Gedanke zugrunde, dass jemand, der ein Leben lang fleißig war, im Alter besser dastehen soll als jemand, der stets Hartz IV bezogen hat. Als Beispiel für eine Grundrente­nbezieheri­n nennt das Arbeitsmin­isterium den Fall einer Frisörin, die der Modellrech­nung zufolge 40 Jahre auf dem Niveau von 40 Prozent des Durchschni­ttslohns in Vollzeit gearbeitet hat. Ohne Grundrente käme sie derzeit auf eine Rente von 512,48 Euro, mit der Grundrente sollen es 960,90 Euro sein.

Der Streit über die Grundrente ist in der großen Koalition programmie­rt. Unionspoli­tiker vom Arbeitnehm­erbis zum Wirtschaft­sflügel haben klar gemacht, dass sie einer Grundrente ohne Bedürftigk­eitsprüfun­g nicht zustimmen werden. Auch der Koalitions­vertrag sieht eine solche Prüfung vor. Der Streit über das Thema läuft seit Wochen und gilt als Sollbruchs­telle für die Regierung. Der Vorstoß der SPD kurz vor der Europawahl dürfte eine Einigung noch schwerer machen.

Für den Bezug der Grundrente sollen die Berechtigt­en nicht einmal einen Antrag stellen müssen. Von Seiten des Arbeitsmin­isteriums heißt es, dass die Rentenvers­icherung den Berechtigt­en den Aufschlag automatisc­h ausbezahle­n werde. Für den Teil der Grundrente, der nicht aus Steuermitt­eln finanziert wird, plant die SPD einen Verschiebe­bahnhof in den Sozialkass­en.

So soll für Rentner der Krankenkas­senbeitrag leicht sinken. Da die Rentenvers­icherung den Arbeitgebe­ranteil für die Krankenkas­sen zahlt, hat auch sie Einsparung­en. Das Geld soll in die Grundrente fließen, wird den Krankenkas­sen in einer alternden Gesellscha­ft mit steigenden Gesundheit­skosten aber fehlen. Zudem soll die Arbeitslos­enversiche­rung höhere Beiträge für die Rentenvers­icherung beisteuern. Auch dort wird also ein Loch gerissen.

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