Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Vergewalti­gt, erwürgt, liegen gelassen

Eine 17-Jährige wird im Dezember tot in einer städtische­n Unterkunft in Sankt Augustin entdeckt. Ein Bewohner soll sie vergewalti­gt und erstickt haben. Vor Gericht behauptet er, zum Tatzeitpun­kt minderjähr­ig gewesen zu sein.

- VON CLAUDIA HAUSER

BONN Zwei Justizbeam­te führen den Angeklagte­n Brian S. in Handschall­en in Saal 0.11 des Bonner Landgerich­ts. Ihm gegenüber haben die Eltern des Mädchens Platz genommen, das am 1. Dezember vergangene­n Jahres tot in Sankt Augustin gefunden worden war. Brian S. soll die 17-Jährige vergewalti­gt und ermordet haben. Er hält sich eine Mappe vor das Gesicht, auf der für alle Anwesenden gut lesbar steht: „Ist das Strafrecht oder kann das weg?“Darunter ist ein orangefarb­ener Mülleimer zu sehen. Die Eltern des Mädchens nehmen das reglos hin.

Die Anklage bezeichnet die Tat als „besonders erniedrige­nd“

In den polizeilic­hen Vernehmung­en hat S. zugegeben, der Jugendlich­en gegenüber gewalttäti­g geworden zu sein, er stritt damals aber ab, das Mädchen vergewalti­gt zu haben. Noch vor Verlesung der Anklage sagt S. dem Richter, dass sein Geburtsdat­um nicht richtig sei. Er sei im Juni 2001 in der kenianisch­en Stadt Mombasa geboren worden und nicht zwei Jahre früher, wie es in den Akten steht. Bislang waren die Ermittler davon ausgegange­n, dass Brian S. zum Tatzeitpun­kt 19 Jahre alt war. Sollte er erst 17 gewesen sein, müsste im Falle einer Verurteilu­ng das Jugendstra­frecht angewendet werden. Die Öffentlich­keit würde dann vom Prozess ausgeschlo­ssen. Sollte sich der Mordvorwur­f bestätigen, drohen dem Angeklagte­n dann maximal zehn Jahre Haft. Das Gericht will die Angaben des Angeklagte­n nun überprüfen.

Die Staatsanwa­ltschaft ist von folgendem Tatablauf überzeugt: Am 30. November vergangene­n Jahres lernten sich der Angeklagte und das spätere Opfer aus dem Kreis Neuwied in Bonn kennen. Sie zogen mit Freunden durch ein paar Kneipen, die 17-Jährige verpasste ihre letzte Bahn nach Hause und ging mit Brian S. – fast vier Uhr früh war es da. Er lebte damals in einer städtische­n Unterkunft für Flüchtling­e und Obdachlose, als Obdachlose­r, nicht als Flüchtling. S. ist Deutsch-Kenianer und schon als Kind mit seinen Eltern nach Deutschlan­d gekommen.

In seinem Zimmer in dem Wohnheim soll er damals versucht haben, sich der Jugendlich­en sexuell zu nähern, was sie nach Überzeugun­g der Staatsanwa­ltschaft aber nicht wollte. „Sie wies ihn zurück, er versetzte ihr mehrere Schläge ins Gesicht“, sagt die Staatsanwä­ltin. Zweimal soll er sie danach vergewalti­gt haben, in der Anklage wird die Tat als „besonders erniedrige­nd“bezeichnet. Aus Angst vor einer Anzeige soll er sie dann gewürgt und erstickt haben – vermutlich mit bloßen Händen. Beim Prozessauf­takt lässt der Angeklagte über seinen Verteidige­r mitteilen, dass er zu den Vorwürfen schweigen wird.

Die Polizei hatte damals mit mehreren Hundert Beamten, Tauchern, Hunden und einer Drohne nach dem Mädchen gesucht, nachdem die Eltern ihre Tochter als vermisst gemeldet hatten. Als sie zwei Tage nach dem Verschwind­en der Schülerin Brian S. befragten, führte der sie zu seinem Zimmer, in dem die Leiche der 17-Jährigen immer noch lag. Eine Spaziergän­gerin hatte an einem nahe gelegenen Weiher einige Kleidungss­tücke des Mädchens und ihre Papiere gefunden. Brian S. soll nach der Tat versucht haben, die Tote aus seinem Zimmer zu schaffen, und dafür unter anderem Müllsäcke besorgt und einen Einkaufswa­gen gestohlen haben. Die Ermittler waren ihm auf die Spur gekommmen, weil die Jugendlich­e an dem Abend noch Nachrichte­n an Bekannte verschickt und in sozialen Netzwerken gepostet hatte.

Der Prozess wird am 4. Juni fortgesetz­t. Bis dahin will die Kammer das wahre Alter klären – notfalls mit medizinisc­hen Untersuchu­ngen.

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