Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Altmaier will keine Stechuhren
Wirtschaftsminister wirft sich nach Arbeitszeit-Urteil für Arbeitgeber in die Bresche.
BERLIN Zwischen Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bahnt sich ein Streit über die Schlussfolgerungen aus dem wegweisenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Arbeitszeiterfassung an. Altmaier erklärte am Dienstag, das deutsche Arbeitszeitgesetz müsse aus seiner Sicht nicht geändert werden. Heil dagegen will nach dem Urteil mit den Tarifparteien darüber beraten, welche gesetzgeberischen Konsequenzen das Urteil in Deutschland hat. Die Verhandlungen darüber sollen nächste Woche beginnen.
Der EuGH hatte vergangene Woche beschlossen, die Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers in der EU müsse systematisch erfasst werden. In Deutschland müssen bisher aber nur die Überstunden aufgezeichnet werden. Etwa ein Fünftel der Beschäftigten in Deutschland zeichnen ihre Arbeitszeiten bisher nicht auf. Für sie gilt die so genannte Vertrauensarbeitszeit: Der Arbeitgeber überlässt es dem Arbeitnehmer selbst zu organisieren, wie er die vereinbarte Arbeitszeit absolviert.
Nach dem Urteil waren die Gewerkschaften hocherfreut, die Arbeitgeber dagegen alarmiert. In Deutschland gibt es etwa eine Milliarde unbezahlte Überstunden im Jahr. Eine genauere Zeiterfassung könnte Druck auslösen, dass mehr Unternehmen ihren Mitarbeitern Überstunden abgelten müssen, was viele Betriebe in Schwierigkeiten bringen könnte.
Der Wirtschaftsminister sieht seine Rolle an der Seite der Unternehmen. „Es ist der falsche Weg, die Stechuhr wieder überall einzuführen“, sagte er. Das Wirtschaftsministerium will nun ein Rechtsgutachten in Auftrag geben, um zu klären, ob das Urteil überhaupt umgesetzt werden muss. Es soll bis zur Sommerpause vorliegen. „Wir wollen und müssen die Interessen der Arbeitnehmer schützen, aber wir dürfen keine überbordende Bürokratie schaffen“, so Altmaier. Firmen seien jetzt schon zur Messung der Arbeitszeit verpflichtet, könnten die Dokumentation aber an den Arbeitnehmer delegieren.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte Gesetzesänderungen nicht ausgeschlossen. „Die Aufzeichnung von Arbeitszeit ist notwendig, um die Rechte der Beschäftigten zu sichern“, hatte Heil gesagt.