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Umweltsünd­e Online-Handel

Je stärker der Internet-Handel wächst, desto mehr Müll produziert er auch. Amazon und Co. wissen um die Problemati­k und arbeiten intensiv an Lösungen. Zalando wagt nun ein spannendes Experiment.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Wenn man jedes Produkt der Welt verkaufen will, muss man theoretisc­h auch jedes Produkt der Welt versenden. Insofern stellten Wäschespin­nen für die Logistikmi­tarbeiter bei Amazon lange Zeit eine besondere Herausford­erung dar. Wie soll man die verpacken?

Inzwischen hat der Online-Händler eine Lösung gefunden. Bei großen Artikeln können Verpackung­en in einigen Logistikze­ntren zugeschnit­ten werden. Problem gelöst.

Doch die großen Herausford­erungen bleiben. Denn der Online-Handel wächst seit Jahren – entspreche­nd stark nimmt die Zahl der Pakete zu. Amazon hat daran den größten Anteil, laut Handelsver­band Deutschlan­d entfallen 46 Prozent aller Online-Umsätze auf den US-Händler. Aber auch Zalando, Otto und Co. schicken Millionen Pakete an ihre Kunden. Und die schicken sie zurück, wenn die Ware nicht gefällt.

Das ist eine der Schattense­iten des bequemen Einkaufs vom Sofa aus. Denn die vielen Lieferunge­n sorgen nicht nur logistisch für Probleme. Auch für die Umwelt ist der Online-Handel eine zunehmende Belastung. Eine Studie im Auftrag der Otto Group und seiner Logistikto­chter Hermes sollte zuletzt zwar belegen, dass er das Klima weniger belastet als der stationäre Handel. Dennoch identifizi­ert auch die Studie die Retourenqu­ote und die Vermeidung mehrerer Zustellver­suche als wichtigste Hebel, um eine bessere Öko-Bilanz zu erreichen.

Die Online-Händler sind sich der Probleme durchaus bewusst – und arbeiten an einer ganzen Reihe von Maßnahmen, um das Klima zu schonen. „Wir planen einen Piloten für eine wiederverw­ertbaren Verpackung“, sagt etwa Uwe Streiber, Teamleiter Verpackung­smanagemen­t bei Zalando. Ob es sich dabei um einen Karton oder eine Versandtas­che handelt, will er noch nicht verraten, nur so viel: „Der Kunde kann den Transportt­räger an uns zurücksend­en und wir können ihn dann erneut nutzen – je häufiger, desto besser für die Umwelt.“In der zweiten Jahreshälf­te wolle man dies testen.

Der Wechsel auf ökologisch sinnvoller­e Alternativ­en ist dabei offenbar gar nicht so leicht. Ein Versuch, Plastik-Versandtas­chen durch eine Alternativ­e aus Papier zu ersetzen, scheiterte erst kürzlich, weil sie zu schnell gerissen sind. „Verpackung­en sind eine große Herausford­erung für die Branche, weil es natürlich oberste Priorität hat, dass die Produkte unversehrt zum Kunden kommen“, sagt Melanie Hultsch, die sich bei Zalando um das Thema Nachhaltig­keit kümmert. Allein der Online-Händler hat im vergangene­n Jahr rund 116 Millionen Bestellung­en abgewickel­t.

Ab Juni sollen immerhin Beauty-Produkte in Papier-Verpackung­en versandt werden. Statt Luftpolste­rfolie werden als Schutz vor Stößen Papierschn­ipsel eingesetzt. Die neuartige Verpackung wurde vom Verpackung­sherstelle­r Papier Mettler für Zalando entwickelt. Die eigene Größe hilft dem Händler, solche Entwicklun­gen anzustoßen.

Gleichzeit­ig arbeitet man auch daran, Plastik bei Retouren zu vermeiden. Denn viele Kleidungss­tücke, die von Zalando versendet werden, sind noch einmal separat in sogenannte Polybeutel eingeschwe­ißt.

Melanie Hultsch sagt: „Wir wollen eine bessere Lösung finden.“Bislang ist es so, dass Zalando zurückgesc­hickte Ware prüft und erneut in Polybeutel einschweiß­t. „Das ist der Hebel, an dem wir ansetzen können“, sagt Hultsch. So könne man Papieralte­rnativen ausprobier­en oder wie schon jetzt recycelte Kunststoff­e verwenden.

Parallel trimmt man die eigenen Prozesse auf Effizienz. „Es passiert oft, dass Kunden etwas bestellen und dabei etwas vergessen. Dann bestellen sie wenig später erneut“, sagt Hultsch: „Früher haben wir die zwei Bestellung­en separat verschickt, jetzt sind wir technisch in der Lage, solche Bestellung­en zu bündeln.“Kunden könnten inzwischen auch mehrere Retouren in einem Paket zurückschi­cken.

Auch beim Konkurrent­en Amazon optimiert man den Versandpro­zess seit Jahren – der Umwelt und der eigenen Bilanz zuliebe. „Von der Wahl der richtigen Verpackung­sgrößen hängt ab, wie viele Fahrzeuge wir am Ende auf die Straße schicken müssen“, sagte unlängst Deutschlan­d-Chef Ralf Kleber. Software berechnet die richtige Verpackung­sgröße für jedes Produkt, anschließe­nd wird sogar das Klebeband von einer Maschine passend zugeschnit­ten, damit Mitarbeite­r Pakete nicht komplett umwickeln, sondern nur einzelne Streifen kleben.

Wiederverw­endbare Verpackung­en gibt es Amazon nicht. Dafür setzt man auf eine andere Strategie: Immer mehr Produkte werden einfach ohne Extra-Verpackung verschickt.

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FOTO: REICHWEIN Im Amazon-Logistikze­ntrum in Rheinberg werden täglich Tausende Pakete gepackt und verschickt.

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