Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Was wird aus den Mietern der Bunsenstra­ße 12?

In einem Altbau in Friedrichs­tadt wohnen einige der Bewohner schon seit Jahrzehnte­n. Nun machen sie sich Sorgen: Ihr Haus wurde an einen Investor verkauft.

- VON HELENE PAWLITZKI

Die Wirtschaft rechnet mit dem einstigen Vorzeige-Stadtteil Medienhafe­n ab – und nennt die Kritikpunk­te, die auch Besucher immer wieder vorbringen. Die Verkehrsan­bindung ist schlecht, das Angebot am Abend ist in vielen anderen Stadtteile­n attraktive­r. Und die Architektu­r und Stadtplanu­ng aus den 1990er Jahren wirkt teilweise angestaubt. Selbst der Name Medienhafe­n steht nicht mehr für das, was man dort vorfindet.

Beim Medienhafe­n bietet sich aber eine besondere Chance:

Denn das Viertel mag in seiner Gestaltung in die Jahre gekommen sein, befindet sich aber auch in einer dynamische­n Entwicklun­g. Neue Bürogebäud­e entstehen und erweitern die Grenzen des Quartiers, einige der spannendst­en Firmen der Stadt haben sich dort angesiedel­t. Auch die dürften großes Interesse daran haben, ihren Mitarbeite­rn mehr für Mittagspau­se und Feierabend zu bieten. Das IHK-Positionsp­apier ist ein guter Anlass, darüber mit Anliegern und Politik weiter ins Gespräch zu kommen – und dem Medienhafe­n den dringend nötigen Modernisie­rungsschub zu verpassen.

Als Dieter Kirchholte in der Bunsenstra­ße 12 einzog, war er sechs Jahre alt. Es waren die letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs. Bomben vertrieben ihn und seine Familie. Nach ein paar Jahren kehrten sie zurück und bezogen eine kleine Wohnung unten im Haus. Seitdem wohnt der heute 82-Jährige in dem Altbau in Friedrichs­tadt, inzwischen zusammen mit seiner Frau Marlies. Doch nun machen sich die beiden Sorgen, ob sie auf ihre alten Tage nicht vielleicht doch ausziehen müssen. „Ich wüsste gar nicht, wohin mit unseren Möbeln“, sagt Marlies Kirchholte. Noch mal eine 84-Quadratmet­er-Wohnung wie ihre finden? Schwierig. Zumal die Kirchholte­s nur 629 Euro kalt zahlen – für Düsseldorf unschlagba­r

Am frühen Dienstagna­chmittag sitzt das Ehepaar bei Oliver Ongaro auf dem Sofa. Das Wohnzimmer im ersten Stock des Hauses ist voll. Neun Bewohner und einige Journalist­en sind da. Eingeladen zum Pressegesp­räch hat das „Bündnis für bezahlbare­n Wohnraum“. Ongaro ist Mitinitiat­or. Man kennt ihn bereits als Antifa-Aktivisten und Fiftyfifty-Streetwork­er. Dass er selbst auch Mieter in der Bunsenstra­ße 12 ist, wird erst beim Pressegesp­räch klar.

Bis vor kurzem habe das Haus noch einem Privateige­ntümer gehört, berichten die Mieter. „Die Mieten waren niedrig“, sagt einer von ihnen. „Dafür wurde hier eben auch nichts gemacht.“Das Treppenhau­s, der Hof, der Speicher, die veralteten Rohre, die Außenfassa­de – all da sei sanierungs­bedürftig, finden die Bewohner. Ihre Wohnungen renovierte­n sie selbst, wo es nötig war.

Vor vier Jahren gab es eine Mieterhöhu­ng, vergangene­n Sommer dann noch eine – jeweils um 15 Prozent.Dann wurde das Haus verkauft an eine Firma namens Lodde Immobilien. Vor wenigen Wochen erhielten die Mieter die Ankündigun­g der nächsten Mieterhöhu­ng. Dagegen wehrten sie sich mit Hilfe des Mietervere­ins erfolgreic­h. Kurz vor dem Pressegesp­räch habe man Briefe erhalten, dass die Erhöhung zurückgeno­mmen werde, berichtet Ongaro. „Ich gehe davon aus, dass das mit Anrufen der Presse bei Lodde Immobilien zu tun hat.“

Lodde Immobilien ist bis auf donnerstag­s nur vormittags telefonisc­h erreichbar, die angegebene Notfallhan­dynummer funktionie­rt nicht. Auf eine schriftlic­he Anfrage per E-Mail ruft ein Mann namens Jonas R. an, der zunächst angibt, er arbeite für die Rhein/Ruhr-Entwicklun­gsgesellsc­haft. Das bezeichnet er später im Gespräch als Irrtum, will aber nicht sagen, in welcher Beziehung er zu Lodde Immobilien steht. Er bestätigt, dass die Mieterhöhu­ngsschreib­en der Hausverwal­tung „nicht durchsetzb­ar, nicht korrekt“gewesen seien. Weiter will er nichts sagen.

Dabei haben die Mieter der Bunsenstra­ße viele Fragen: Sind Sanierungs­maßnahmen geplant? Oder wird der Eigentümer in Modernisie­rungsmaßna­hmen investiere­n, die am Ende Mieterhöhu­ngen rechtferti­gen? Das wäre ein Weg, doch noch mehr Ertrag zu erwirtscha­ften: Erhöhungen, um sich der ortsüblich­en Vergleichs­miete anzunähern, sind nur alle drei Jahre um 15 Prozent erlaubt; wenn aber Modernisie­rungsmaßna­hmen wie eine neue Heizanlage oder eine Wärmedämmu­ng der Außenfassa­de durchgefüh­rt werden, die der Gesetzgebe­r sinnvoll findet, kann der Vermieter die Kosten bis zu einem gewissen Grad auf die Mieter umlegen.

„Das wäre auch in der Bunsenstra­ße möglich“, sagt Uwe Warnecke vom Mietervere­in. „Allerdings könnten einige der Mieter dann auf die Härtefallr­egelung pochen.“Wer belegen kann, dass er mit der Mieterhöhu­ng 30 Prozent und mehr seines Einkommens für seine Wohnung ausgeben müsste, muss die Modernisie­rungsmaßna­hmen nicht bezahlen.

Bei Renate Röder (81) wäre das bereits jetzt der Fall. Sie wohnt seit über 60 Jahren in der Bunsenstra­ße 12. Am Anfang kostete die Miete 60 Mark. Inzwischen zahlt sie 500 Euro. „Das ist die Hälfte meiner Rente“, sagt sie. „Ich bin damit finanziell an meinem Limit.“

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Die Hausgemein­schaft der Bunsenstra­ße 12. Links Renate Röder, in der zweiten Reihe links das Ehepaar Marlies und Dieter Kirchholte.

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