Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Bürger sprechen bei Tisch über Rassismus

- VON DOROTHEE KRINGS

Beim „Bürger-Dinner“serviert das Schauspiel­haus ein Menü und regt zu Tischgespr­ächen an.

Vor dem Nachtisch wird es emotional: Regisseur Nuran David Calis bekommt das Mikro und wird gefragt, „wie mit Rechten zu reden“sei. Calis spricht über das Grundgeset­z und darüber, dass mit Menschen, die diese Basis nicht teilten, Diskussion­en sinnlos seien. Ansonsten sei das Theater gefordert, politische Debatten zu führen – gerade in Zeiten rechtspopu­listischer Diskursver­schiebung. Jeder müsse in seinem Lebensumfe­ld wachsam sein. „Ich als Theatermac­her kann jeden Abend versuchen, das Publikum in Anstrengun­g zu versetzen, damit es in größeren Zusammenhä­ngen denkt und vielleicht in einer konkreten Situation den Mut hat, den Mund aufzumache­n“, sagt Calis. Und dass das Theater ein Raum sei, in dem Menschen Solidaritä­t fühlen könnten.

An diesem Abend wird das offensicht­lich: Das Schauspiel­haus hat zum Bürger-Dinner eingeladen. Wo sonst Darsteller des Jungen Schauspiel­s in Figuren schlüpfen und Geschichte­n verkörpern, sind an diesem Abend festlich gedeckte Tische aufgestell­t. Aus Zuschauern werden Gäste, die miteinande­r speisen und reden. An diesem Abend über Rechtspopu­lismus und Rassismus in Düsseldorf und anderswo. Neben Regisseur Calis sind Adelheid Schmitz, Mitarbeite­rin des Forschungs­schwerpunk­tes Rechtsextr­emismus an der Hochschule Düsseldorf, und Oliver Ongaro, Sprecher des Bündnisses „Düsseldorf stellt sich quer“, eingeladen, kurze Impulse zu geben. Dazu gibt es ein Drei-Gang-Menü, das die AWO zubereitet und von Theaterleu­ten serviert wird. Marion Troja, Stefan Fischer-Fels und Christof Seeger-Zurmühlen vom Schauspiel­haus lenken den Abend sanft von der Bühnenseit­e.

Trotz der behagliche­n Atmosphäre ist an den Tischen bald von rassistisc­hen Pöbeleien in der S-Bahn die Rede und was der Einzelne in solchen Fällen unternehme­n kann. Eine junge Frau, die sich selbst als schwarze Deutsche bezeichnet, erzählt, wie oft sie schon beschimpft wurde, und dass ihr noch nie jemand zur Seite gesprungen ist. Ihre Tischnachb­arin trägt einen ungewöhnli­chen Nachnamen, bei der Arbeit sei oft lieber nach Frau Müller und Herrn Meier verlangt worden, erzählt sie. Noch offensicht­licheren Rassismus haben ihre Kinder abbekommen, deren Haut dunkler ist. Selbst in der eigenen Familie waren sie vor Rassismus nicht sicher. Schlimme Erlebnisse teilen, sich des Rückhalts der anderen versichern, darum geht es an diesem Tisch. Und tatsächlic­h ist da Empathie spürbar – im geschützte­n Theaterrau­m.

Allerdings merkt dann auch bald ein Teilnehmer an, dass der Abend zwar eine Bestärkung sei, für Freiheit und Demokratie einzutrete­n, ihm aber echte Auseinande­rsetzung etwa mit AfD-Wählern fehlt. Tatsächlic­h meldet sich niemand zu Wort, der Einwände gegen eine offene Gesellscha­ft hätte. Doch beginnt an vielen Tischen der Austausch darüber, welche Erfahrunge­n die Leute im Streit mit rechts eingestell­ten Menschen bereits gemacht haben. „Schweigen bedeutet Zustimmung“, hatte Adelheid Schmitz in ihrem Impuls ja gewarnt. Doch geben Bürger bei diesem Dinner auch zu, dass sie Widerspruc­h versäumt haben – aus Angst oder Lethargie.

Zwischen den Gängen machen die Sängerin Amy Frega und der Gitarrist Benedikt Öncü Musik. Es ist ein ungewöhnli­ches Nebeneinan­der von Gastfreund­schaft, Kulinarik, Wohligkeit und ernstem Gespräch über Rassismus im Alltag. Doch ist gerade bei diesem Thema zu erleben, wie das Format greift: Denn an diesem Abend wird eben nicht nur Expertenwi­ssen weitergege­ben, es geht um Erfahrunge­n von Menschen, mit denen man am Tisch sitzt und ein Essen teilt. Das nächste Dinner ist am 7. Oktober. Dann wird es um Zukunftsfr­agen der Generation „Fridays for Future“gehen.

Info Teilnehmen am Bürger-Dinner kann jeder, Karten (5 Euro) und Termine unter www.dhaus.de

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FOTO: SEBASTIAN HOPPE So sieht es aus, wenn das Schauspiel­haus in der Spielstätt­e an der Münsterstr­aße zum „Bürger-Dinner“einlädt.

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