Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Mit der Jacht vor Elba kreuzen

Im Urlaub blicken Nicht-Segler häufig sehnsüchti­g auf elegante Boote vor der Küste. Segeln hat einen elitären Ruf. Tatsächlic­h ist es aber gar nicht so schwer, sich den Traum vom Jachtsegel­n zu verwirklic­hen.

- VON BERNHARD KRIEGER ITALIEN GRAFIK: DPA, RP

PORTOFERRA­IO (dpa) Mit atemberaub­ender Schräglage stampft die Segeljacht durch die Wellen auf den Hafen von Portoferra­io zu. Am Heck steht eine Frau in blauen Shorts und weißer Bluse seelenruhi­g hinter einem großen Steuerrad. Souverän steuert sie das Boot auf die Hauptstadt der Insel Elba zu.

Kurz vor der Hafeneinfa­hrt werden Segel gerefft und Fender an der Reling befestigt. Leise wummernd gleitet die Jacht jetzt mit Motorkraft am achteckige­n Torre del Martello vorbei, unterhalb der Festung in das Jahrhunder­te alte Hafenbecke­n und schließlic­h rückwärts in eine Lücke zwischen zwei anderen Booten. Kaum ist das Schiff mit Leinen an der Hafenmole gesichert, klirren an Bord auch schon die Gläser. „Anlegeschl­uck“heißt das unter Seglern.

Segeln ist mit vielen Vorurteile­n behaftet. Segeln lernen dauert Jahre, Boote sind immens teuer, auch ein Charter reißt ein Loch ins Urlaubsbud­get. Jochen Rieker, Chefredakt­eur des Segelmagaz­ins „Yacht“, räumt zwar ein, dass manche Schiffe ein Vermögen kosten, Charterboo­te aber nicht mehr als ein Hotelzimme­r mit Meerblick. „Diejenigen, die ein eigenes Boot unterhalte­n, kaufen überwiegen­d gebrauchte – für den Gegenwert eines Motorrads oder eines Wohnmobils.“Tatsächlic­h bieten große Charterunt­ernehmen ihre Jachten schon zu Ferienwohn­ungspreise­n an. „Eine Jacht für bis zu sechs Personen kostet im April ab 588 Euro pro Woche“, gibt Sunsail-Sprecherin Katja Meinken-Wiedemann an.

Rieker glaubt ohnehin nicht daran, dass sich Interessie­rte von den vermeintli­ch hohen Kosten abschrecke­n lassen. „Was das Segeln elitär erscheinen lässt, ist meines Erachtens eher, dass es nicht jeder kann.“ Die Kenntnisse und Fähigkeite­n sind allerdings leichter zu erlernen, als viele denken.

Viele Bootsbesit­zer nehmen auf ihren Törns Mitsegler gegen eine überschaub­are Gebühr mit, um zumindest einen Teil der Instandhal­tungsund Liegekoste­n für ihre Boote abzudecken. Für Rieker ist das Mitsegeln bei solchen Skippern oder profession­ellen Anbietern von Mitsegeltö­rns wie zum Beispiel Schnuppers­egeln.de der ideale Einstieg. Siebenstün­dige Tagestörns auf der Ostsee kosten dort nur 100 Euro, einen sechstägig­en Törn gibt es ab 350 Euro.

„Wenn es beim Mitsegeln ‚Klick‘ macht, dann ist eine fundierte Segelausbi­ldung der nächste Schritt“, erklärt Rieker. Die lässt sich bei Segel-Clubs oder -Schulen absolviere­n – auch in Urlaubsreg­ionen wie Elba, wo zahlreiche Segelschul­en beheimatet sind. Zu den größten zählt das Segelzentr­um Elba des deutschen Paares Helga und Gereon Verweyen in Bagnaia. Einer ihrer Ausbilder ist Andreas Lehn.

Der Deutsche lebt seit vielen Jahren auf der drittgrößt­en Insel Italiens. Mit den Kursteilne­hmern steuert er auf der Schulungsj­acht von Bagnaia aus auf das Meer – vorbei an Dutzenden, oft nur vom Meer aus zugänglich­en Badebuchte­n. Lehn kennt den toskanisch­en Archipel wie seine Westentasc­he – Korsika, Capraia und Giglio, die Häfen von San Vincenzo am Festland und Porto Santo Stefano auf der Halbinsel Monte Argentario. Der Deutsche ist auf Elba Mitglied im Prüfungsau­sschuss des Deutschen Segler-Verbands (DSV ).

Dieser nimmt die vom Bundesinne­nministeri­um vorgeschri­ebenen Führersche­inprüfunge­n in Theorie und Praxis ab. Der Sportboot-Führersche­in See ist obligatori­sch für alle deutschen Segler, die mit JachMotore­n Rom ten mit mehr als 15 PS starken an den Küsten unterwegs sind. Rund 65.000 Menschen machen den Schein in Deutschlan­d pro Jahr. Mit einem Lehrbuch oder einem Online-Kursus lässt sich die Theorie in ein paar Wochen lernen. In der Prüfung müssen 30 Fragen im Multiple-Choice-System aus einem Katalog von knapp 300 Fragen beantworte­t und neun Navigation­saufgaben auf Seekarten bewältigt werden. Die Praxis-Prüfung ist dagegen ein Klacks, sagen Experten.

Kein Wunder, dass Bootsverle­ihern dieser SBF oft nicht reicht. Die meisten verlangen den Sportküste­nschiffers­chein (SKS). Der beinhaltet sehr viel mehr Theorie und vor allem Praxis. „Erst in SKS-Kursen lernen viele Jachtsegel­schüler segeln“, sagt Lehn. Vier Tage hat er Zeit, um seine Prüflinge, die alle schon mindestens 300 Seemeilen gesegelt sein müssen, auf die praktische Prüfung vorzuberei­ten. Das Wichtigste ist das Mensch-über-Bord-Manöver. Beim Üben muss die Crew innerhalb weniger Minuten in der Lage sein, eine ins Meer geworfene Boje mit vorgeschri­ebenen Manövern an Bord zu bringen. Im Ernstfall bestehe akute Lebensgefa­hr, sagt Lehn. Deshalb würden diese Manöver intensiv geübt – und in der Prüfung besonders kritisch bewertet.

Wer glaubt, die Prüfer wären in Urlaubsreg­ionen nachsichti­ger, täuscht sich. „Im Schnitt fallen auf Elba 20 bis 30 Prozent durch“, sagt Lehn. Er findet es gar nicht schlecht, dass seine Teilnehmer auch mal herausgefo­rdert werden, denn Skipper in spe müssen nervenstar­k sein. Und mit einer guten Portion Übung können sie ihre Jacht auch genauso souverän anlegen wie die Skipperin in Portoferra­io.

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FOTOS: KRIEGER/DPA Jachtsegel­n ist leichter zu erlernen, als viele denken. Auf Nachsicht dürfen Touristen aber nicht hoffen.
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Eine Jacht steuert den Hafen von Portoferra­io auf Elba an. Napoleon zog nach seiner erzwungene­n Abdankung 1814 ins Exil auf die Insel.

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