Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Akkord-Arbeit im Pfarrsaal

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Stadtdirek­toren gehören zum Orchester, Verkäufer, Handwerker und Professore­n. Wer nicht so gut spielt, sitzt ganz hinten. Wer besser ist, darf aufrücken und sitzt vielleicht bald vor Dieter Grosche, der alle Musiker im Blick hat und Kommandos gibt.

„Tür bitte zuziehen. Wegen der Nachbarn.“

Das Banjo: Bei allem Respekt nicht gerade das Instrument, das man als Jugendlich­er unbedingt spielen möchte. Eher Pony als Vollblüter, eher Ente als Ferrari. Kann man sich Jimi Hendrix beim Zerlegen der amerikanis­chen Nationalhy­mne mit einem Banjo vorstellen? Oder Jimmy Page von Led Zeppelin, wie er auf einem doppelhals­igen Banjo „Stairway To Heaven“spielt? Warum also Banjo? Eine Frage für Günter Amendt. Er ist 83 und hat den Club gegründet. Er redet ruhig und besonnen, er wirkt, als kenne er alle Bücher der Weisheit, und er erzählt davon, wie er als 15-Jähriger einen Film sah. „Bravo, George!“hieß der, der britische Schauspiel­er George Formby Jr. musizierte darin auf einem Banjo. „Der Klang war so besonders für mich“, erinnert sich Arendt, „da wollte ich auch ein Banjo haben.“Zu Weihnachte­n bekam er damals allerdings immer nur Unterwäsch­e und ein Hemd. Also habe er seinem Vater gesagt, dass er noch ein weiteres Jahr hinkomme mit der jetzigen Unterhose, und weil zudem der große Bruder ein gutes Wort einlegte, bekam Amendt schließlic­h sein Banjo. „Es klang allerdings gar nicht so wie im Film. Seither suche ich den perfekten Klang.“

„So, wir lassen jetzt Getöse ab.“ Amendt spielt ein Ukulelen-Banjo, das er aus vier Vorkriegs-Instrument­en selbst zusammenge­setzt hat. Er arbeitete einst als Ingenieur im Pipeline-Bau. Er war in England und den USA, und überall kaufte er Banjos in der Hoffnung, den perfekten Klang zu finden. Als er 300 Instrument­e angesammel­t hatte, verkaufte er alle an einen Mann aus Tokio. Der bezahlte 150.000 Dollar dafür, „ein Dollar waren damals zwei Mark 50“, und von dem Geld zahlte Amendt seine drei Geschwiste­r aus und übernahm das Haus seiner Eltern. Man könnte sagen, er hat sein Leben auf das Banjo gegründet. Eine Liebesgesc­hichte.

Über der Szenerie hängt Jesus am Kreuz und blickt auf diese tolle Truppe: Oh, Lord

„Jetzt spielen wir ,I’m so blue’: Ich bin so blau.“

Ein einzelnes Banjo hat einen hüpfenden Klang, so viele Banjos zusammen haben etwas Gleichmäßi­ges; sie springen um den Hörer herum, sie nehmen ihn mit, und die Wirkung ist eigenartig: Man fühlt sich beschwingt, aber auf so eine angenehm gedämpfte Art. Happy to be sad. Man hat den Blues und schmunzelt darüber.

„Das nächste Stück wird einen Makel haben: Ich werde singen.“

Dieter Grosche singt mit wunderbare­r Stimme davon, wie er im Schatten eines Apfelbaums liegt, und man weiß nicht, wie er es macht, aber auf einmal hat er eine Posaune am Mund, und die Posaune tanzt über die Töne, die die Banjos streuen. Wie jemand, der einen Fluss überquert und von Stein zu Stein springt. Als das Lied zu Ende ist, sagt Günter Amendt, dass das Piano zu laut war. Da müssen alle lachen. Es gibt hier nämlich gar kein Piano. „Eins, zwei, Viertel vor drei.“

Dieter Grosche gibt den Takt vor, er tritt ihn auf den Boden, und im Stück zeigt er auf den Solisten, wenn der seinen Einsatz hat – dazu reißt er die Augen auf und zieht eine Schnute. Er ist so etwas wie der Schäferhun­d, der die Herde zusammenhä­lt. Der Hausmeiste­r im Palast der guten Laune. Vorarbeite­r im Akkord. Wenn er auf Ivo Rabanus zeigt, hört man kurz darauf eine Mundharmon­ika, die so verflixt gut klingt, dass sie nicht mit profaner Luft gespielt werden kann, sondern mindestens mit Odem. Rabanus ist 77, er war mal Kameramann beim WDR, und er schließt die Augen, wenn er bläst. Auf der grünen Sitzfläche des Stuhls neben sich hat er seine Instrument­e ausgebreit­et. Er wählt vor jedem neuen Song eines aus, ein bisschen wie ein Chirurg vor der OP das Skalpell. Ein kleiner Verstärker drückt den Klang in den Saal, und nirgends klingt der Satz wahrhaftig­er als hier: Er pustet sich die Seele aus dem Leib. Der belgische Jazzer Toots Thielemans ist sein Vorbild. In der Pause, die sie immer um Punkt 20 Uhr einlegen und zumeist vor der Tür des Pfarrsaals verbringen, wird Rabanus seinen blau-weißen Schal zurecht ziehen und über sein Spiel sagen: „Erstmal kommt die Melodie.“

„Udo, konzentrie­r’ dich!“

Ein Stück mit irischem Thema solle nun folgen, bittet Günter Amendt, denn: „Sowas ist ja heute wieder populär.“Da blättern alle in ihren Ringbücher­n und schlagen „The Irish Washerwoma­n“auf. Es ist herrlich, dort zu sitzen und zuzuhören. Man weiß gar nicht, ob das an der Musik liegt oder an der Atmosphäre. Man fühlt sich geborgen, wird weggetrage­n im Sound. Bei „Will The Circle Be Broken“singen alle; der Trompeter, der heute vom Arzt eine Spritze ins Auge bekommen hat und nicht mitmachen darf, hält sein Instrument pro forma vor den Mund, weil er trotzdem dabei sein will: Musiker ist man halt auch, wenn man gerade keine Musik machen kann. Manchmal gehen sie nach der Probe noch „auf ein Bierchen“in die Kneipe, meistens aber nicht, weil viele mit dem Auto da sind: „Manche wohnen 80 Kilometer weit weg.“Über der Szenerie hängt Jesus am Kreuz und blickt auf diese tolle Truppe. Oh, Lord.

Bleibt beim Abschied noch die eine entscheide­nde Frage an Günter Amendt: Der perfekte Banjo-Klang, haben Sie den nach all den Jahren eigentlich gefunden? Amend seufzt und lächelt, und er sieht ziemlich glücklich dabei aus. „Nein“, antwortet er. „Mit dem perfekten Banjo-Klang ist es wie mit der Blauen Blume. Die findet man nicht, die sucht man nur.“

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Im Alter von 15 Jahren hörte er zum ersten Mal den Klang eines Banjos. Heute ist Günter Amendt 83. Er gründete den Banjo-Club. Sein Instrument hat er selbst gebaut.
 ??  ?? Er gibt Zeichen, wenn der Solist seinen Einsatz hat: Dieter Grosche (78) ist der resolute und humorvolle Spiritus Rector des Orchesters.
Er gibt Zeichen, wenn der Solist seinen Einsatz hat: Dieter Grosche (78) ist der resolute und humorvolle Spiritus Rector des Orchesters.
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FOTOS: ANDREAS ENDERMANN Jeden Dienstag, pünktlich um 19 Uhr: Das Banjo-Orchester probt im Pfarrsaal der Kirche St. Maria Hilfe der Christen im Düsseldorf­er Stadtteil Lörick.

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