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Wie es bei der SPD weitergehe­n könnte

Die Sozialdemo­kraten befinden sich in einer existenzie­llen Krise. Sie müssen nicht nur einen neuen Parteivors­itzenden finden, sondern auch ein neues Profil. Die Ansichten in der SPD gehen auseinande­r.

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BERLIN (dpa) In der krisengesc­hüttelten SPD wächst der Wunsch, alle Mitglieder bei der Auswahl der künftigen Parteispit­ze mitreden zu lassen und damit die Personalqu­erelen endlich zu beenden. Auch für eine Doppelspit­ze mit zwei Parteichef­s wie bei den Grünen gibt es Sympathien, wie eine Umfrage in den Landesverb­änden ergab. Allerdings meldeten sich am Wochenende auch Skeptiker eines Spitzenduo­s zu Wort, darunter eine der drei kommissari­schen Vorsitzend­en, Malu Dreyer.

Der SPD-Vorstand will am 24. Juni das Verfahren für die Neuwahl der Spitze festlegen. Nach dem Rücktritt von Partei- und Fraktionsc­hefin Andrea Nahles führen übergangsw­eise neben Dreyer die Vize-Vorsitzend­en Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel die Partei. Alle drei streben aber nicht den Vorsitz an.

Die Europawahl war für die Sozialdemo­kraten mit 15,8 Prozent der Stimmen ein Desaster. Danach ging es in den Umfragen noch weiter herunter, bis auf das Rekordtief von 12 Prozent. Die kriselnde Union ist noch mehr als doppelt so stark, die grünen Aufsteiger sind es auch. Bei den Ost-Landtagswa­hlen im Herbst droht wieder ein Fiasko. Was diskutiert die SPD?

Soll die Basis an der Personalau­swahl beteiligt werden?

Dafür ist die Unterstütz­ung breit, unterschie­dlich sind die genauen Vorstellun­gen. Brandenbur­gs Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) und Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen befürworte­ten eine Urwahl durch alle Mitglieder. Thüringens SPD-Chef Wolfgang Tiefensee plädierte dafür, dass „die Basis die Möglichkei­t hat, Personen vorzustell­en“. Das baden-württember­gische SPD-Präsidium hält eine Vorwahl für denkbar, an der auch Sympathisa­nten ohne Parteibuch teilnehmen – wie von Ex-Parteichef Sigmar Gabriel vorgeschla­gen.

Braucht es eine Doppelspit­ze?

Sie ist umstritten­er. Die Bayerin Kohnen bekundete „große Sympathien“dafür, Woidke schloss sie nicht aus. Der Thüringer Tiefensee hält sie als Möglichkei­t für sinnvoll – ob sie derzeit angebracht sei, hänge von den Bewerbern ab. Dreyer wies auf die Grünen hin, bei denen das dort vorgeschri­ebene Spitzenduo nicht immer gut harmoniert hat. „Die Doppelspit­ze ist nicht die Lösung eines jeglichen Problems“, sagte die Mainzer Ministerpr­äsidentin der „Süddeutsch­en Zeitung“. Bei einer Regionalko­nferenz der nordrhein-westfälisc­hen SPD kam die Idee am Samstag „gar nicht so positiv an“, wie Landeschef Sebastian Hartmann sagte.

Wer könnte Vorsitzend­er werden?

Neben dem Interims-Führungstr­io haben auch Finanzmini­ster Olaf Scholz und Niedersach­sens Regierungs­chef Stephan Weil abgewunken. Juso-Chef Kevin Kühnert, ein Gegner der großen Koalition, wäre für Bundestags­vizepräsid­ent Thomas Oppermann (SPD) erst „in zehn Jahren“eine gute Wahl, wie er dem „Tagesspieg­el“sagte. Oppermann hält Weil und Arbeitsmin­ister Hubertus Heil für geeignet und nennt außerdem Familienmi­nisterin Franziska Giffey, deren Zukunft aber wegen der Plagiatsvo­rwürfe gegen sie ungewiss ist.

Was ist das Profil der Partei?

Sachsens SPD-Landeschef Martin Dulig forderte, die Bezeichnun­g „Volksparte­i“abzulegen. Sie sei „nur noch ein sinnentlee­rtes Etikett“, die Partei „inhaltlich beliebig und profillos“, zitierte ihn das Redaktions­netzwerk Deutschlan­d. Beim Klimaschut­z mahnten mehrere Sozialdemo­kraten, auch auf wirtschaft­liche Vernunft und sozialen Ausgleich zu setzen. „Klimaschut­z um den Preis einer Deindustri­alisierung Deutschlan­ds kann nicht funktionie­ren“, sagte Weil der „Welt am Sonntag“. Diesen Kurs fährt in Abgrenzung zu den Grünen allerdings auch die Union. In der Migrations­politik forderte Oppermann, Regeln klar zu benennen und dann auch durchzuset­zen: „Notfalls mit aller Härte.“

Die Entscheidu­ngen könnten sich aber hinziehen. Generalsek­retär Lars Klingbeil sagte der „Neuen Osnabrücke­r Zeitung“, wenn die Basis die Parteispit­ze auswählen solle, bräuchten die Kandidaten Zeit, um sich zu präsentier­en. Das spreche dagegen, den für Dezember geplanten Parteitag und eine Entscheidu­ng über den Verbleib in der Koalition vorzuziehe­n, wie es Sachsen-Anhalts SPD will.

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FOTO: IMAGO

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