Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Architekt für Kunstpaläste
Joachim Sieber baut Häuser für die Kultur. Das Gebäude der Sammlung Philara stammt von ihm. Auch in der Oper wirkte er.
In Florenz nehmen viele schöne Geschichten ihren Lauf. Die von Joachim Sieber beginnt, als er die Stadt wieder verlässt. Der Jura-Student aus Konstanz entscheidet, wie der Schumacher bei seinen Leisten zu bleiben, von denen er schon als Kind wusste, welche das sind: Architekt will er werden. Seinen Eltern zuliebe widmet er sich zunächst der Rechtswissenschaft, weil jenen das Fach solider erscheint. Dann kommt Florenz, wo der stets auf Erneuerung bedachte Geist der Renaissance so kräftig weht wie sonst nirgends. Das wirkt.
Nach einem Jahr in der Welt von Michelangelo, Donatello und Lorenzo il Magnifico erkennt Sieber, dass es falsch ist, ein berufliches Leben anzustreben, das er so nicht will, also ändert er es. Er geht nach Düsseldorf, das ihm bald Heimat wird, studiert Architektur und ist derzeit mit einer der wichtigsten Erneuerungen in der hiesigen Kulturlandschaft betraut – dem Umbau und der Sanierung des Kunstpalastes im Ehrenhof. „Die größte Herausforderung ist hier zugleich die schönste“, sagt Joachim Sieber, „nämlich aus der sehr heterogenen Situation mit den vielen Spuren und Schichten der Vergangenheit ein Ganzes entstehen zu lassen, ohne das große, fast 100 Jahre gewachsene Potenzial zu zerstören.“
Sein Rüstzeug erhält Sieber in Düsseldorf bei Paul Schneider-Esleben und dem Kölner Architekten Oswald Mathias Ungers. Ungers hat den 2001 eröffneten Neubau des Kunstpalastes entworfen. Beide Büros sind so aufgestellt, dass auch die jüngeren Kollegen zum Zug kommen. „Die Struktur war nicht hierarchisch, sondern mobilisierte Kreativität und ließ den noch jungen Architekten Raum“, sagt Sieber. Bereits während seines Studiums assistiert er dem avantgardistischen Architektenkombinat Haus-RuckerCo, das Studios in Düsseldorf und Wien betreibt. Von dort aus seift die Gruppe den öffentlichen Raum mit Utopien ein.
In jungen Jahren mit derartigen Freigeistern gemeinsame Sache machen zu dürfen, erzeugt Mut. Und stärkt die Verbindung zur Kunst, die Sieber seit seiner Kindheit zu pflegen gelernt hat. Die klassisch-humanistische Bildung prägte sein Selbstverständnis, weswegen er acht gibt, dass aus Mut nicht Übermut wird und sich schillernde Exkurse lediglich im kreativen Prozess ihren Weg bahnen. „Architektur muss ein neutraler Rahmen sein. Je nachdem, was er beherbergt, fällt er aber sehr wohl unterschiedlich aus“, sagt Joachim Sieber. „Anbiedern darf sich Architektur nicht.“Oswald Mathias Ungers hat seinen talentierten jungen Mitarbeitern dazu zwei Worte mit auf den Weg gegeben: „No jokes“, was so viel heißt wie: Spart euch die Exaltiertheit, konzentriert auch auf die Arbeit, die in einem Gebäude geleistet wird. „Es gibt Architekten, die gerne mit Folies (Verrücktheiten) arbeiten“, sagt Joachim Sieber. „Meiner Natur entspricht das nicht.“
Sieber ist 28 Jahre alt, als Ungers ihm die Projektleitung für die Erweiterung Über eine neue Oper, findet Joachim Sieber, sollte man durchaus nachdenken der Hamburger Kunsthalle überträgt, wenig später verantwortet er den Ausbau der Messe Frankfurt.1996 eröffnen er und seine Frau Anja Sieber-Albers, die ebenfalls Architektin ist, ihr Büro in Düsseldorf, das sie erst kürzlich von Düsseltal nach Mörsenbroich verlegt haben. In den 2010er Jahren lernt der Düsseldorfer Kunstmäzen und Unternehmer Gil Bronner den Architekten kennen, und sie planen ihr erstes gemeinsames Projekt: Bronner bewirbt sich um den Zuschlag für den Bunker in Flingern, wo er für die benachbarte Schule Werkräume einrichten möchte. Ein Mitbewerber setzt sich jedoch durch und baut Luxuswohnungen. Sieber und Bronner setzen ihre Kooperation fort: Am Gather Weg entstehen Proberäume für Bands und ein Probensaal für das Jugendsinfonieorchester der Tonhalle. Beinahe zur selben Zeit reift die Idee von einem Ausstellungshaus, das die Privatsammlung Bronners präsentieren soll. 2016 eröffnet Philara in einer ehemaligen Glaserei in einem Hinterhof in Flingern. Luftig, weitläufig und mit Skulpturengarten auf dem Dach. Ein lässig-zurückhaltender Bau ist entstanden, der Architekturpreise erhält.
„Was kann einem Besseres passieren, als in seiner Stadt zu agieren“, sagt Sieber. Für die Landeshauptstadt hat er die entscheidende Machbarkeitsstudie zur Sanierung des maroden Opern-Dachs erstellt, seit einem Jahr beschäftigt er sich intensiv mit dem Kunstpalast. Drei Mal pro Woche ist er dort. „Das ist ein magischer Ort“, sagt er. Wenn man im Belvedere steht und sich umschaut, entfalten sich Weite und Freiheit.“Alle zur Verfügung stehenden Quellen haben Sieber und sein Team für ihre Arbeit gesichtet und systematisiert, auch die Dokumente früherer Planungen. „Der Kunstpalast entstand in den 1920er Jahren innerhalb von nur einem Jahr, das wäre heute nicht mehr denkbar“, sagt er. Und es gab ähnliche Probleme. Etwa, dass die gewünschten Materialien nicht die vereinbarte Güte aufwiesen oder nicht verfügbar waren, so dass man sich mit Alternativen von minderer Qualität behelfen musste. „Das merkt man noch heute“, sagt Sieber. Statische und bauliche Mängel zu beseitigen, also etwa das Dach im Sammlungsflügel zu sanieren, ist die eine große Aufgabe. „Es geht aber vor allem darum, den Sammlungsflügel und den Ausstellungsflügel baulich wieder so zusammenzuführen, dass der Kunstpalast als Ganzes wahrgenommen und besucht werden kann.“
Interessiert beobachtet Sieber die Debatte um eine neue Oper. „Wir sollten darüber nachdenken.“Den Medienhafen hält er für keinen geeigneten Standort. „Die Hochkultur muss im Herzen der Stadt verankert werden.“