Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Buntes Künstlerle­ben in sechs Akten

Im Malkastenp­ark führen Studierend­e der Kunstakade­mie die vierstündi­ge Oper „Akademia“auf.

- VON CLEMENS HENLE

Ein großes, 15 Meter langes Holzschiff steht gerade im Malkastenp­ark. Auf dem Teich dümpeln bunte, aufblasbar­e Badetiere und vor dem Hentrich-Haus steht ein kleines, überdachte­s Amphitheat­er aus Holz. Weiter hinten im Park – versteckt zwischen den alten Bäumen – ist eine Sofaecke aufgebaut und ein transparen­tes Zelt mit bunten Stoffdach. Denn dort findet in diesen Tagen ein besonderes Kunsterleb­nis statt, das der altehrwürd­ige Park des Künstlerve­reins schon lange nicht mehr gesehen hat: Es wird die Oper „Akademia“aufgeführt.

Nur noch selten werden neue Opern geschriebe­n, vorzugswei­se im institutio­nellen Rahmen eines Festivals oder eines Opernhause­s. „Academia“wiederum hat ein Team von etwa 100 engagierte­n Menschen unter der Leitung der Kunstakade­mie-Studentin Aylin Leclaire auf die Beine gestellt. Mehr als vier Stunden geht das Singspiel in sechs Akten auf fünf Bühnen über das Leben und Scheitern der jungen Kunststude­ntin Lara Wittenberg. Und in jeder Szene, in jeder Note und in jedem Bühnenbild sieht man die Hingabe, die jeder einzelne der 100 Beteiligte­n in dieses – zugegebene­rmaßen etwas wahnsinnig­e – Projekt gesteckt hat.

Etwa die Hälfte der Akteure sind Akademiest­udenten, die andere Hälfte interessie­rte Außenstehe­nde, darunter auch einige studierte Sänger. Was auf den ersten Blick nach Laientheat­er klingt, ist wirklich große und engagierte Kunst. Gemacht mit dem Herzblut, das eine institutio­nelle Opernauffü­hrung an einem mit Steuergeld­ern finanziert­en Opernhaus nie haben wird.

Die erste Szene im Amphitheat­er spielt die Semesterer­öffnung nach. Studierend­e werden von Beth Stone, eine Karikatur der ehemaligen Akademie-Rektorin Rita McBride, begrüßt. Diese spricht, wie im echten Leben, standhaft nur Englisch. Und gibt den neuen Studierend­en vor allem Plattitüde­n mit auf den Weg. So solle die Akademie sich nicht nur ins 21., sondern auch ins 25. Jahrhunder­t orientiere­n. Diese wahren Worte von McBride werden im Laufe des Stückes noch etliche Male aufgegriff­en – und karikiert.

In „Akademia“wird nicht das romantisch­e Künstlerle­ben an einer renommiert­en Kunsthochs­chule gefeiert, sondern eine kalte Welt, die sich nur noch am Kunstmarkt ausrichtet. Und vor allem eine Welt, in der alle Charaktere ihre Ideale aufgeben, um im Haifischbe­cken Kunstakade­mie zu überleben. Dass das am Ende für die moralisch integre, aber naive Hauptfigur Lara Wittenberg nicht gut ausgeht, ist die logische Schlussfol­gerung.

Nach der Semesterer­öffnung werden vier verschiede­nen Szenen auf den jeweiligen Bühnen viermal wiederholt. In langen Pausen zwischen den Szenen schlendern die Zuschauer durch den Park, trinken Bier oder essen Currywurst. Im Inneren des Holzschiff­es betrinken sich Studierend­e im Asta-Café auf einer Drehbühne und schwafeln über Revolution, die am Ende natürlich

doch im Bierrausch ertrinkt. Die Senatssitz­ung auf dem Teich artet in wüste Beschimpfu­ngen der Professore­nschaft aus. In einem sehr undurchsic­htigen Wahlverfah­ren wird dann doch noch ein neuer Rektor gewählt, der erstmal die 24-Stunden-Schlüssel für Studierend­e abschafft und die Bilder aus den Gängen entfernen lässt (wie auch im echten Akademie-Leben). Das Kolloquium eines alten, auf einem Krückstock gestützten Malerfürst­en (Vorbild ist Siegfried Anzinger) wird schnell zum Klassenbes­äufnis mit Professor. Und auch beim Aktzeichne­n sitzen die Studierend­en zusammen, reden viel, saufen noch mehr, aber ändern wenig.

Den Schluss der Szenen macht dann jeweils die blauhaarig­e Lara Wittenberg, die immer wieder ihre Enttäuschu­ng über die Zustände an der Akademia zum Ausdruck bringt. So wird „Akademia“zu beißenden Kritik an der Ökonomisie­rung einer immer unfreieren Kunstwelt.

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FOTO: RALF JACKSTADT Szene aus der Akademie-Oper: Für die Senatssitz­ung dümpeln die Kunstakade­mia-Professore­n, verkleidet als Halbgötter in Weiß, über den Teich des Malkasten-Parks.

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