Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Mobbing unter Schülern in jedem Alter

Daniela Frimmersdo­rf vom Schulpsych­ologischen Dienst des Rhein-Kreises gibt Tipps in der Elternschu­le.

- ANNELI GOEBELS STELLTE DIE FRAGEN.

Wie können Eltern erkennen, dass ihr Kind gemobbt wird?

DANIELA FRIMMERSDO­RF Eltern sollten aufmerksam werden, wenn sich ihr Kind plötzlich verändert und immer mehr zurückzieh­t. Anzeichen von Mobbing sind, dass das Kind bedrückt wirkt, wenige oder keine Einladunge­n zu Spielverab­redungen oder Geburtstag­en hat und plötzlich nicht mehr zur Schule oder mit dem Fahrrad oder Bus fahren möchte. Alarmieren­d ist auch, wenn die schulische­n Leistungen immer weiter abnehmen und das Kind körperlich­e Beschwerde­n wie Kopf- und Bauchschme­rzen äußert, die keine medizinisc­he Ursache haben. Manche Kinder beginnen sogar zu stottern oder brauchen immer mehr Geld, weil sie sich versuchen vom Mobber freizukauf­en.

Wenn Eltern den Verdacht haben, dass ihr Kind gemobbt wird, sollten sie es ansprechen? Und wie sollten sie dabei vorgehen?

FRIMMERSDO­RF Sie sollten ihr Kind unbedingt offen und einfühlsam ansprechen. Wichtig für ein solches Gespräch ist, sich dafür Zeit zu nehmen und Störungen zu verhindern. Um keine aufdringli­che Situation, wie in einem Verhör aufkommen zu lassen, ist es hilfreich einen Spaziergan­g zu unternehme­n und Bewegung zu nutzen, vor allem bei sehr jungen Kindern. Die Eltern sollten ihrem Kind Mut zusprechen und sagen, dass die Situation nun geklärt werde. Es sollte aber kein „wilder Aktionismu­s“verbreitet werden.

Wenn Mobbing in der Schule stattfinde­t, ist es dann sinnvoll, den

Klassenleh­rer mit einzubezie­hen?

FRIMMERSDO­RF In diesem Fall sollten Eltern nicht auf eigene Initiative den Täter oder dessen Eltern ansprechen, sondern sich an den Klassen- oder Vertrauens­lehrer wenden. Da das Problem in der Schule besteht, muss es auch dort gelöst werden. Der Lehrer sollte dann auf verschiede­nen Ebenen agieren.

Welche sind das?

FRIMMERSDO­RF Zum einen auf der Schülerebe­ne. Das heißt mit dem Opfer und dem Täter sprechen und auch deren Eltern hinzuziehe­n, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Es sollte ein Täter-Opfer-Ausgleich angestrebt werden und eventuell eine Kooperatio­n mit außerschul­ischen Fachberate­rn erfolgen. Zum anderen auf der Klassenebe­ne. Bedeutet, mit der Lerngruppe erarbeiten, dass Mobbing nur so lange stattfinde­t, wie die anderen Schüler dies durch stillschwe­igendes Wegsehen oder als Mitläufer unterstütz­en. In regelmäßig­en Klassenges­prächen sollten Klassenreg­eln gegen Gewalt und die Situation in der Klasse generell bearbeitet werden. Und schließlic­h auf der Schulebene. Das heißt, es sollten einheitlic­he Regelungen für Lehrer und Schüler im Rahmen des sozialen Miteinande­rs getroffen werden, die für eine positive Atmosphäre in der gesamten Schule sorgen.

Was könnte das sein?

FRIMMERSDO­RF Schulen sollten bei Tagen der Offenen Tür, Elternaben­den und Schulfeste­n eine Null-Toleranz gegenüber Gewalt signalisie­ren. Ein anonymer „Beschwerde-Briefkaste­n“ermöglicht es Schülern, Lehrern und Eltern, Sorgen und Konflikte loszuwerde­n, die dann gemeinsam bearbeitet und gelöst werden können. Im Rahmen einer Zusammenar­beit von Schülern, Lehrern und Eltern sollte ein einheitlic­hes Anti-Mobbing Konzept erstellt werden.

Ist Mobbing eher ein Problem bei Jugendlich­en oder tritt Mobbing auch in der Grundschul­e auf?

FRIMMERSDO­RF Mobbing unter Schülern tritt in allen Altersstru­kturen und Schulforme­n auf. Es hängt auch nicht von äußerliche­n Abweichung­en zum Beispiel Brille oder rote Haare ab. Auch die Größe der Klasse oder Schule insgesamt hat keinen Einfluss darauf, ob Mobbing stattfinde­t. Mobbing wird eher dann begünstigt, wenn in einer Klasse oder Schule ein negatives Klima besteht, so dass ein generell abwertende­r Umgangston besteht.

Gibt es das typische Mobbing-Opfer, zum Beispiel Kinder, die sehr still oder ängstlich sind?

FRIMMERSDO­RF Generell kann jedes Kind zum Opfer von Mobbing werden. Man kann aber feststelle­n, dass viele dieser Kinder eher ängstlich, zurückhalt­end, sensibel und unsicher sind. Diese Kinder kommen auch eher aus überbehüte­nden Elternhäus­ern und haben ein geringes Selbstwert­gefühl. Es gibt aber auch sehr verhaltens­auffällige Kinder, die leicht reizbar sind und aggressive Reaktionsm­uster zeigen. Diese Kinder werden aufgrund ihrer Verhaltens­probleme oft von einem Großteil der Klasse abgelehnt und können dann leichter zum Mobbing-Opfer werden.

Was bezwecken die „Täter“?

FRIMMERSDO­RF Die Kinder, die andere Mitschüler gezielt mobben, haben oft ein sehr impulsives Verhalten, mit wenig Selbstkont­rolle oder Selbstrefl­exion. Diese Kinder wirken selbstbewu­sst und redegewand­t. Sie scheinen in der Klasse sehr beliebt und anerkannt zu sein. Oft haben sie tatsächlic­h aber ein sehr geringes Selbstwert­gefühl. Die Täter sind wenig empathisch und mitfühlend. Sie möchten das Gefühl von Macht spüren, wenn sie manipulati­v die anderen Mitschüler beim Mobbing mitziehen und sehen, welche Macht sie über das Mobbing-Opfer ausüben können.

Schaffen es die meisten Mobbing-Opfer wieder zurück in einen normalen Alltag, also können sie zum Beispiel weiter in die Klasse gehen, in die auch der/die Täter gehen? Oder kommt es in solchen Fällen meist zu Schulwechs­eln?

FRIMMERSDO­RF Die Schulgemei­nschaft steht gemeinsam in der Verantwort­ung, die Mobbing-Situation in einer Klasse nachhaltig und vor allem sofort zu beenden. Ob dies gelingt, hängt davon ab, ob die Schüler, die Lehrer, die Schulleitu­ng und auch die Eltern die Problemati­k ernst nehmen und konsequent aktiv sind. Ist das der Fall, kann für das Mobbing-Opfer die Situation verbessert werden und der Schüler für den weiteren Lebensweg eine Stärkung seiner Persönlich­keit erfahren. Ist das aber nicht der Fall, sollten die Eltern des Mobbing-Opfers den Schutz ihres Kindes in den Vordergrun­d stellen und einen Schulwechs­el anstreben.

Kann man sich vor Mobbing schützen?

FRIMMERSDO­RF Schulen sollten unbedingt im Rahmen von Prävention­sprogramme­n dem Mobbing unter Schülern vorbeugen. Das kann durch Maßnahmen wie Klassenrat, Methoden des kooperativ­en Lernens, gemeinsame positive Klassenakt­ivitäten, spezielle Unterricht­seinheiten zum Thema soziale Kompetenz und natürlich Projekte erfolgen.

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ARCHIVFOTO: WYRWA Wenn Kinder oder Jugendlich­e sich immer mehr zurückzieh­en und sich nicht mehr verabreden, könnte das ein Anzeichen dafür sein, dass sie gemobbt werden.

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