Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Kritik an neuem Test für Schwangere
Erstmals können Frauen testen lassen, ob ihr ungeborenes Kind an Erkrankungen wie Mukoviszidose leidet. Gesundheitspolitiker sehen den Trend zum „Designerbaby“.
DÜSSELDORF Nach der Einführung der pränatalen Untersuchungen auf das Down-Syndrom haben Schwangere ab Donnerstag die Möglichkeit, zu testen, ob ihr noch ungeborenes Kind an Erkrankungen wie Mukoviszidose, spinaler Muskelatrophie oder auch an Hämoglobinopathien leidet (Info-Kasten). Das Heidelberger Unternehmen Eluthia bringt einen entsprechenden Bluttest mit dem Namen „Unity“auf den Markt. Er ist der erste Pränataltest dieser Art und kostet 695 Euro. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten bisher nicht.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das oberste Beschlussgremium im Gesundheitswesen, hatte sich erst vor einigen Wochen dazu durchgerungen, einen nicht-invasiven pränatalen Test (NIPT) auf Trisomien bei Risikoschwangerschaften zur Kassenleistung zu machen. Derlei Tests sind für die Frauen mit deutlich weniger Risiken verbunden als zum Beispiel die Fruchtwasseruntersuchung, bei der ein operativer Eingriff notwendig ist. Kritiker sehen allerdings einen Schritt zur Eugenetik, also zur Beeinflussung des Genpools des Menschen – mit dem Ziel, unerwünschte oder krankmachende Merkmale frühzeitig zu beseitigen.
„Hier handelt es sich um eine neue, aus meiner Sicht ethisch bedenkliche Dimension in Richtung ,Designerbaby’, die über die nicht-invasive pränatale Diagnostik von Trisomien weit hinausgeht“, sagt der G-BA-Vorsitzende Josef Hecken. Beim „Unity“-Test gehe es um weit mehr als den Ersatz des invasiven Tests mit Fehlgeburtsrisiko, der seit 30 Jahren Kassenleistung ist. „Hier sind fundamentale ethische Grundfragen unserer Werteordnung berührt, und der Gesetzgeber ist deshalb nach wie vor gefordert, Grenzen und Bedingungen der NIPT zu definieren“, sagt Hecken.
Nicht-amtliche Schätzungen besagen, dass 90 Prozent der Frauen, die beispielsweise von einer Down-Erkrankung ihres noch ungeborenen Kindes wissen, ihr Baby nicht zur Welt bringen. Bei Erkrankungen wie Mukoviszidose gibt es derlei Prognosen bisher nicht.
„Bei den nicht-invasiven Pränataltests müssen wir uns bewusst sein, dass die Forschung nicht aufzuhalten ist“, sagt Erwin Rüddel (CDU), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Bundestags. „Deshalb ist es mir lieber, wir schaffen die entsprechenden Rahmenbedingungen wie verpflichtende Beratung, als dass wir die Menschen in einen Graubereich entlassen, sie die Tests also beispielsweise im Ausland durchführen lassen.“
Kirsten Kappert-Gonther, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, meint: „Die gesellschaftliche Debatte über den Sinn und die Grenzen dieser Tests hat gerade erst begonnen.“Ihr dürfe nicht durch die vorschnelle Zulassung weiterer Tests vorgegriffen werden. „Wir dürfen Schwangeren nicht die Verantwortung für ungelöste gesellschaftliche Fragen aufbürden.“
Den Pränataltest aus Heidelberg können Frauen ab der elften Schwangerschaftswoche in Anspruch nehmen. Eluthia empfiehlt den Test nur, wenn die Mutter eine Anlage für eine der Krankheiten hat. Die Genauigkeit wird mit 99 Prozent angegeben. „Jede Frau sollte die Möglichkeit haben, zu wissen, welche Erkrankungen ihr noch ungeborenes Kind hat“, sagt Tarrin Taraki, Mitbegründer des Unternehmens Eluthia. „Je früher die Diagnose, desto früher kann eine Therapie beginnen, wenn das Kind geboren ist – bei einigen Ansätzen sogar vor der Geburt.“