Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Und der Musiklehrer ist zugeschaltet
Auch private Musikschulen leiden unter der Krise. Manche pausieren, andere versuchen, aus der Distanz zu unterrichten – via Skype.
Freitagmorgens um genau 9.30 Uhr ist die Welt wieder ein bisschen in Ordnung. Dann nämlich schlägt die Gitarrenstunde, im Grunde also wie eh und je, wenn auch neuerdings anders. Schließlich hält das Coronavirus alle Menschen auf gehörige Distanz und macht – unerhört nicht einmal zwischen Musiklehrer und Schüler eine Ausnahme. Was tun? Am besten immer Weiterüben und unter neuen Bedingungen: brav und vorschriftsmäßig voneinander getrennt, aber via Skype miteinander verbunden.
„Was haben wir letztes Mal gemacht?“Das Bild wackelt am Anfang noch ein bisschen, jeder sucht nach seiner besten Sitzposition, und fast immer ist die Gitarre nicht richtig zu sehen oder wahlweise auch ganz im Weg.
Also letztes Mal? Ein Andantino von Matteo Carcassi, das zunächst übelst aussah. „Bloß keine Angst vor vielen Noten“, hat Florian Hoheisel geraten, der unter anderem an der Bilker Gitarrenakademie unterrichtet und jetzt nur auf dem Bildschirm zu sehen ist. Der Tipp war hilfreich. Die Noten sind zwar nicht weniger, aber irgendwie überschaubarer und irgendwann doch halbwegs spielbar geworden.
In diesen Wochen erteilt Hoheisel, der am Konservatorium in Maastricht studierte und mit 2000 Auftritten reichlich Bühnenerfahrung gesammelt hat, seinen Unterricht ausschließlich per Skype. Eine Notlösung, klar, aber doch eine Möglichkeit und immer noch besser als nichts, sagt er. Vor allem für die Musiker sei das auch vorteilhaft, die – zumindest früher – viel unterwegs gewesen sind und dann praktisch von überall ihre Schüler betreuen konnten.
Eine echte Alternative wird das Online-Unterrichten vorerst aber nicht sein. Denn man müsse immer den ganzen Menschen sehen, seine Körperhaltung und Körpersprache. „Außerdem ist das gemeinsame Spiel unmöglich“, so Florian Hoheisel – trotz entwickelter Technik. Zoom sei jedenfalls besser als Skype, außerdem hat er daheim drei Kameras zusätzlich installiert, um auch das Griffbrett gut ins Bild zu bekommen.
Digitaler Musikunterricht ist nicht jedermanns Sache. Von Hoheisels 40 Schülern sind derzeit noch 18 übriggeblieben. Dazu kamen Konzertabsagen für die Auftritte seiner Band „Future Jesus & The Electric Lucifer“etwa in Darmstadt und beim Moerser Jazzfestival. Zumindest bleibt das neue Album des Fusion-Trios von all dem unberührt. Es ist ohnehin erst fürs nächste Jahr geplant.
Vergleichbares erleben derzeit auch viele andere private Musikschulen. Einige haben ihren Unterricht erst einmal und bis auf weiteres eingestellt. Andere versuchen es auf digitalem Wege – wie die Musikschule Flingern. Dort bittet ihr Leiter Dmitry Pichugin auch um Unterstützung für die zumeist freiberuflichen Lehrer. Seine Angebote in Kitas und Schulen fallen dagegen komplett flach; bei anderen
Kursen setzen die Instrumente die Grenzen. Fernunterricht an der Orgel ist undenkbar, am Klavier zumindest schwierig, zumal nicht jedes Kind daheim ein eigenes Instrument habe.
Besonders hart trifft es Martin Gahler und seine erst im vergangenen Jahr eröffnete Music School in Heerdt. Gahler ist renommierter Schlagzeuger, studierte an der Essener Folkwang Hochschule und wollte jetzt sein Angebot mit anderen
Musikinstrumenten ausbauen – bis das Virus kam. Die großen Pläne wurden erst einmal aufs Eis gelegt, und eigener Unterricht – Schlagzeug per Bildschirm – ist auch nicht vorstellbar. Viele Musiklehrer beantragen jetzt die Soforthilfe des Landes für freischaffende Künstler: mit einer Einmalzahlung von bis zu 2000 Euro. Weit über 8000 Anträge sollen inzwischen bei den Bezirksregierungen eingetroffen sein.
Bei all den Hindernissen für die Lehrer kann man sich als Schüler mit Skypen schon anfreunden. Wir sehen nicht immer richtig, wir hören nicht alles – und manchmal ist es auch ganz okay, dass man selbst nicht so ganz genau gehört wird. War jetzt eine miese Übertragung, heißt es dann. Zumal bei den neuen Übungen: Der Hammer-on an der Gitarre ist derzeit mit viel Überwindung gerade so machbar und mit gutem Willen auch hörbar. Der Pulloff dagegen – eigentlich das Gleiche nur andersrum – bleibt wohl noch einige Zeit ein frommer Wunsch. Den heben wir uns einfach auf, für spätere, Corona-freie Zeiten.