Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Offene Rechnungen
Viele Reise-Unternehmen hatten Anzeigen bei Google geschaltet. In der Krise hoffen sie auf Kulanz bei der Bezahlung. Doch die Suchmaschine bleibt offenbar hart: Vertrag ist Vertrag. Die Politik befürchtet jedoch ein anderes Kalkül.
DÜSSELDORF Wenn es um Angebote von Google geht, warnen viele Menschen oft sehr wissend, dass man dort ja mit seinen Daten bezahle. Doch das ist natürlich nur ein Teil der Wahrheit. Denn während die meisten Privatnutzer die Suchmaschine tatsächlich kostenlos nutzen, gibt es Millionen Unternehmen weltweit, die für die Leistungen des US-Konzerns in harter Münze zahlen.
Acht von ihnen haben sich nun, flankiert vom Bundesverband Deutsche Start-ups, in einem Brandbrief an den deutschen Google-Top-Manager Philipp Schindler gewandt. Die Unternehmen aus dem Reisebereich beklagen sich darin über das Verhalten des US-Konzerns in der Corona-Krise – und bitten um Kulanz. Denn offenbar besteht der Internetriese trotz eines zuletzt veröffentlichten Quartalsgewinns von 6,84Milliarden Dollar und Reserven von 117 Milliarden Dollar auf die fristgerechte Zahlung von offenen Rechnungen in Millionenhöhe, während die Start-ups in der Krise praktisch keine Umsätze mehr machen. Andere Geschäftspartner, ist zu hören, würden sich kulanter verhalten.
Vertrag ist Vertrag, könnte man sagen, doch in der Politik sieht man das kritischer – auch wenn Google auf Anfrage betont, man sei im ständigen Austausch mit Geschäftspartnern, und auf ein Hilfspaket verweist, das 340 Millionen Dollar Werbebudget
für kleine und mittlere Unternehmen beinhaltet. „Wir sind in Kontakt mit Google und fordern Transparenz über den Prozess, welche Unternehmen Unterstützung erhalten und welche nicht. Es darf keine Ungleichbehandlung geben“, sagte der Start-up-Beauftragte des Bundeswirtschaftsministeriums, Thomas Jarzombek. FDP-Chef Christian Lindner forderte Google bei Twitter auf, Partner zu stützen statt zu schwächen: „Ohne Rücksicht handeln nur Monopolisten, die eine marktbeherrschende Stellung ausnutzen.“
Die Marktmacht von Google war in den vergangenen Jahren immer wieder Gegenstand von Diskussionen. Die Düsseldorfer Hotel-Suchmaschine Trivago benannte die Hotel-Suchfunktion von Google zuletzt in ihrem im März veröffentlichten Geschäftsbericht für das Jahr 2019 namentlich als großen Risikofaktor.
Wettbewerbshüter beschäftigen sich seit Jahren mit Google, bzw. dessen Mutterkonzern Alphabet, und den Praktiken des Unternehmens. Im vergangenen Jahr verklagte das deutsche Vergleichsportal Idealo den US-Konzern auf eine halbe Milliarde Euro Schadenersatz wegen des Missbrauchs von Marktmacht. Die EU-Kommission hatte bereits 2017 eine Milliardenstrafe gegen Google verhängt, weil das Unternehmen, das eine eigene Produktsuche anbietet, Wettbewerber benachteiligt habe.
Stepstone, das wie Idealo zum Medienkonzern Axel Springer gehört, hatte sich 2019 gemeinsam mit anderen Job-Portalen bei der EU beschwert. Die Unternehmen werfen Google vor, das eigene Angebot bevorzugt in der Suche zu platzieren.
Politiker befürchten, Google könne die Krise nutzen, um weitere Wettbewerber im Markt zu schwächen. Denn speziell die europäischen Tourismus-Plattformen, über die man Urlaubserlebnisse, Ferienhäuser oder Hotels buchen kann, stecken momentan in der Krise.
Auf rund 75 Millionen Euro summiert sich offenbar die Summe der offenen Rechnungen bei Google, heißt es in dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt. Für diese Summe haben die Unternehmen, zu denen unter anderem die Düsseldorfer Hotel-Suchmaschine Trivago, der Berliner Erlebnis-Anbieter Getyourguide und der Fernbus-Anbieter Flixbus gehören, offenbar bei den Kaliforniern im ersten Quartal Werbeanzeigen geschaltet.
Das Problem ist: Während Google die Anzeigen in Rechnung stellt, mussten die Unternehmen ihren Kunden wiederum den Großteil der Anzahlungen für ausgefallene Leistungen erstatten. Der Großteil der Unternehmen hat seine Mitarbeiter bereits in Kurzarbeit geschickt, Trivago hat in der vergangenen Woche sogar einen Stellenabbau angekündigt. Einige von ihnen prüfen laut dem Schreiben, das vom Präsidenten des Bundesverbands, Christian Miele und den acht Geschäftsführern der Start-ups unterschrieben ist, offenbar zusätzlich die Beantragung von Staatshilfen. Dieses Geld der Steuerzahler könnte nun direkt in die Taschen von Google fließen, heißt es.