Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Studie fühlt den Puls der Wirtschaft
Für das Mittelstandsbarometer werden 500 Unternehmen im Kreis befragt.
RHEIN-KREIS Die Unternehmen fast quer durch alle Branchen ächzen bundesweit unter dem Druck der Corona-Krise. Wie hart die Folgen der Pandemie jedoch für die Wirtschaft ganz konkret in der Region sein werden, ist noch unbekannt. Valide Daten und Einschätzungen aus erster Hand soll das „Mittelstandsbarometer Rhein-Kreis 2020“liefern, eine Umfrage bei 500 von insgesamt rund 20.000 Unternehmen im Kreisgebiet.
Bereits zum 13. Mal fühlen die Creditreform Neuss, der RheinKreis und die Sparkasse Neuss mit der repräsentativen Telefonumfrage den Puls der mittelständischen Wirtschaft in den acht Kreis-Kommunen. „Keine andere Untersuchung liefert so exakte Aussagen für die einzelnen Städte und auch Branchen“, sagt Chris Proios von der Creditreform-Initiative „Konjunkturforschung Regional“.
Nach Abschluss der Befragungen sollen die Ergebnisse am 8. September vorliegen. Seit dem Start des Mittelstandsbarometers 2008 war die ermittelte Stimmungslage bei den hiesigen Unternehmen nur drei Mal schlechter als im Bundesdurchschnitt. In jüngster Zeit jagte der regionale Geschäftsklimaindex in der Regel von einem Allzeithoch zum nächsten. Und nun? Absturz in der Corona-Krise?
Kreisdirektor Dirk Bügge sieht deutliche Hinweise darauf, dass die Krise im Kreis ihre Spuren hinterlassen wird. Ein Indikator: Die Zahl der Arbeitslosen steigt. Die Arbeitslosenquote lag im April mit 5,7 Prozent
bereits 0,7 Prozentpunkte höher als im Vormonat. Dass die Quote im Bund mit 5,8 Prozent noch etwas höher lag, ist kein Trost: „Normalerweise liegt der Kreis besser als der Bundes- und Landesdurchschnitt“, sagt Brügge. In der Corona-Krise seien die Unternehmen im Rhein-Kreis jedoch gleich mehrfach betroffen: durch die Lockdown-Maßnahmen direkt, aber auch durch den Zusammenbruch von Wertschöpfungsketten. „Wenn Unternehmen nicht mehr produzieren können, weil zum Beispiel Materialzulieferungen aus China fehlen, erkennt man negative Effekte der Globalisierung.“Die Folgen der Pandemie drohten gravierender auszufallen als die der Finanzkrise.
Brügge erkennt allerdings auch Hinweise darauf , dass die Wirtschaft im Rhein-Kreis die Corona-Folgen zumindest etwas besser verkraften könnte als andere Regionen. Ein Indikator dafür: die Kurzarbeit. Im Kreis sind derzeit 25,7 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von Kurzarbeit bedroht. Der Durchschnittswert für NRW liegt bei 30,9 Prozent. „Ein Hinweis auf die grundsätzlich robuste Struktur der Wirtschaft im Rhein-Kreis“, so Brügge, der auch darauf setzt, dass die Krise den Blick für neue Geschäftsfelder etwa im Sektor Digitalisierung schärft.
Auch Proios macht Hoffnungsschimmer aus: „Die Eigenkapitalausstattung der hiesigen Unternehmen ist so gut wie nie zuvor in den vergangenen 25 Jahren, die Industrie ist besonders stabil, das Zahlungsverhalten noch gut.“Um Unternehmen durch die Krise zu helfen, hat die Sparkasse Neuss, so deren Direktor für Kommunikation, Stephan Meiser, in den vergangenen
acht Wochen Existenzsicherungsmittel in Höhe von 31,5 Millionen Euro bewegt. Davon entfallen 16 Millionen Euro auf Fördermittel, für deren Bewilligung die Sparkasse die Bonitätsprüfung übernimmt, und 11 Millionen Euro auf ausgesetzte Ratenzahlungen für Kredite und Hypotheken. „Förderprogramme mit neuen Krediten sind ja kein Allheilmittel“, sagt Meiser. Unternehmen, die stark von laufenden Umsätzen leben, bräuchten direkte Erleichterung, etwa durch Raten, die erst einmal nicht gezahlt werden müssen. Weitere 4,5 Millionen Euro habe die Sparkasse an individuellen Krediten in Fällen zur Verfügung gestellt, in denen Unternehmen die Kriterien für öffentliche Förderprogramm nicht erfüllen. Wie wirksam die Hilfen sind, muss sich noch zeigen. Das Mittelstandsbarometer könnte erste Hinweise geben. Insolvenzzahlen sind wegen der ausgesetzten Insolvenzantragspflicht derzeit nur wenig aussagekräftig.