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Landesregierung lockert Mieterschutz
Für Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt gelten strenge Vorgaben für Vermieter. NRW halbiert nun die Zahl der betroffenen Kommunen. Daran wird heftige Kritik laut.
DÜSSELDORF Für drei Millionen Mieter verschlechtert sich ab 1. Juli in NRW die Rechtslage. Auslöser ist die Mieterschutzverordnung der Landesregierung. Das Vorhaben von NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) sieht vor, dass in deutlich weniger Kommunen die strengen Vermietervorgaben angewendet werden. Dabei geht es um die Mietpreisbremse bei Neuvermietung, strenge Vorgaben bei der Eigenbedarfskündigung durch den Wohnungseigentümer und die Kappungsgrenzen, also ein Limit bei der Anhebung der Bestandsmieten.
„Ich kann da keinen Mieterschutz erkennen“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Mieterbundes NRW, Hans-Jochem Witzke, unserer Redaktion. „Das Ganze geschieht noch im Schatten von Corona – in einer Nacht- und Nebelaktion wird das jetzt durchgepeitscht.“Es sei ein Kahlschlag, wenn nur noch 18 Gemeinden mit 2,9 Millionen Menschen unter die Regelungen fielen. Zuvor unterlagen 37 Kommunen mit bis zu sechs Millionen Menschen dem schärferen Mieterschutz.
In zahlreichen Kommunen, denen noch im vergangenen Jahr in einem Gutachten für das Scharrenbach-Ministerium ein angespannter Wohnungsmarkt attestiert wurde, herrscht Unverständnis darüber, dass sie nun nicht mehr zu den betroffenen Städten und Gemeinden zählen sollen: „Gerade in einer Zeit, in der die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie erst spürbar werden, wäre Sicherheit im Mieterschutz wichtig“, sagte der Neusser Bürgermeister Reiner Breuer (SPD). „Stattdessen verunsichert die Landesregierung Mieterinnen und Mieter und lässt die Kommune mit dem Problem der explodierenden Wohnkosten allein.“
Die Kritik entzündet sich am Gutachten der Beratungsfirma Empirica, das der Verordnung zugrunde liegt. In einer Stellungnahme der kommunalen NRW-Spitzenverbände ist die Rede von „massiven Widersprüchen“und handwerklichen Mängeln: „Die vorliegenden Ergebnisse stehen weder methodisch noch politisch im Einklang mit den kommunalen wohnungspolitischen Zielen.“Eine Beurteilung, die der Aachener Wirtschaftsförder Manfred Sicking teilt. Die Einschätzung der Gutachter, dass Aachen nicht mehr zu den Gemeinden in NRW zu zählen sei, in denen ein angespannter Wohnungsmarkt identifiziert werden könne, entspreche „definitiv nicht der Realität vor Ort“.
Die kommunalen Spitzenverbände bemängeln unter anderem, dass in dem Gutachten Leerstandsdaten aus dem Jahr 2011 verwendet wurden. Auch seien bei der Frage der Mietbelastung nur Einkommenswerte auf Kreisebene vorhanden. Im Falle von Großstädten innerhalb eines Landkreises müsse man aber davon ausgehen, dass die dort lebenden Menschen weniger verdienten als in den Umlandgemeinden.
Das Ministerium ließ eine Anfrage zu den Widersprüchen zwischen vorangegangenen Gutachten und der aktuellen Studie bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Das Thema dürfte die Politik im Kommunalwahlkampf weiter beschäftigen. Der Vorsitzende des Mieterbunds geht davon aus, dass die Lage in NRW angespannt bleibt: „Die Corona-Pandemie wird allenfalls einen vorübergehenden Effekt haben. Wenn sich die wirtschaftliche Lage 2021 oder 2022 wieder normalisiert, wird die Knappheit von Wohnraum sich auch in steigenden Mieten niederschlagen. Ein Effekt, den wir im Übrigen nicht mehr nur in den Städten erleben“, sagte Witzke.
Leitartikel, Wirtschaft