Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Wir haben keinen Tourismus mit Après-Ski-Faktor“

Der Südtiroler Landeshaup­tmann über Solidaritä­t in Europa, Urlaub in Corona-Zeiten und die Finanzieru­ng der Folgekoste­n.

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BERLIN Südtirol ist eine der beliebtest­en Regionen in Europa für deutsche Urlauber. Doch seit März dürfen Touristen nicht mehr ins Land. Der Südtiroler Landeshaup­tmann Arno Kompatsche­r hofft auf eine Lösung.

Deutschlan­d will zum 15. Juni seine weltweite Reisewarnu­ng aufgeben, Italien öffnet zum 3. Juni seine Grenzen wieder für Ausländer. Haben Sie Hoffnung, dass die Urlaubssai­son gerettet werden kann?

KOMPATSCHE­R Wir werden mit Sicherheit keine normale Saison mehr haben, wie wir sie bislang gekannt haben. Es wird Beschränku­ngen und Regeln im persönlich­en Kontakt geben für Personen, die nicht in einer gemeinsame­n Wohnung leben. Trotzdem hoffen wir auf ein Stück weit Normalität und darauf, dass viele Besucher auch aus Deutschlan­d die Vorzüge unserer Landschaft, unsere Küche und unsere Kultur genießen können. Das ist für unsere Wirtschaft fundamenta­l wichtig.

Auf welche Einschränk­ungen müssen sich deutsche Urlauber in Südtirol einstellen?

KOMPATSCHE­R Vor allem die Betriebe sind gefordert, die Gastgeber unserer Gäste. Wir haben sehr strenge Regeln für das Personal, das ständig getestet wird. In den Wellness-Abteilunge­n der Hotels gelten sehr strikte Richtlinie­n, wo wir eine Covid-SafeArea geschaffen haben. Wir haben sehr viele Auflagen für die Gastwirte, die Gäste selbst werden davon weniger merken.

Welchen Erholungsw­ert hat Auslandsur­laub in Pandemieze­iten?

KOMPATSCHE­R Das Hotel ist bereits ein geschützte­r Raum. Die Vorschrift­en für die Betreiber haben wir so gefasst, dass das Ansteckung­srisiko für Gäste möglichst gering bleibt. Südtirol heißt für viele ja Urlaub in der Natur, wo man gut für sich alleine unterwegs sein kann. Beim Wandern oder Radfahren. Massentour­ismus mit Après-Ski-Faktor haben wir ja nicht.

Italiens Außenminis­ter hat sich gegen Sonderabsp­rachen einzelner Regierunge­n. Deutschlan­ds Außenminis­ter Heiko Maas sagt, Deutschlan­d habe als Reiseweltm­eister eine besondere Verantwort­ung für ein koordinier­tes Vorgehen in Europa. Was hilft Ihrer Region?

KOMPATSCHE­R Ich plädiere für eine europäisch­e Lösung. Das heißt nicht, dass man sofort in alle Länder reisen soll. Wer jetzt Grenzen für Urlauber öffnet, muss Sicherheit­s- und Hygienesta­ndards gewährleis­ten. Aber das sollte in Europa einheitlic­h erfolgen. Wir brauchen völlige Transparen­z über die jeweilige epidemiolo­gische Situation. Man muss einschätze­n können, wie hoch die Zahl der Infizierte­n im Vergleich zur Zahl der Tests in einem Land oder einer Region ist. Wir haben in Südtirol entschiede­n: Wir legen alles offen. Wir haben den Wunsch, dass in unserer Expertenko­mmission auch Wissenscha­ftler aus Deutschlan­d, bestenfall­s vom Robert-Koch-Institut, mitarbeite­n. Wir wollen belegen, dass wir eine sichere Region sind.

Deutschlan­d und Frankreich haben vorgeschla­gen, die EU könne 500 Milliarden Euro in den EU-Haushalt für die am stärksten getroffene­n Regionen und Sektoren einspeisen… KOMPATSCHE­R Das ist eine echte Hilfe für die am stärksten von der Pandemie betroffene­n Staaten. Keine Frage: Alles, was der italienisc­hen Gesamtwirt­schaft hilft, hilft auch Südtirol. Wir haben mit unserer Autonomie auch eine Finanzauto­nomie. Während Italiens Kreditwürd­igkeit relativ schlecht bewertet wird, hat Südtirol Triple A, so wie Deutschlan­d. Diese Unabhängig­keit hilft uns. Trotzdem ist es für uns wichtig, dass Italien in die Gänge kommt. Das hilft Europa, und es hilft auch Südtirol.

HOLGER MÖHLE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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FOTO: DANIEL BOCKWOLDT/DPA Auf den Boden gesprühte Pfeile und Pylonen regeln den Zugang zum Strand in Haffkrug (Schleswig-Holstein) an der Ostsee.

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